Der Stein des Anstoßes

Die Pop-Up-Ausstellung "Stein des Anstoßes" war vom 10. Juni bis 23. Juli 2021 in den Räumlichkeiten der Jugendkulturarbeit auf dem Gelände Neu-Donnerschwee in Oldenburg zu sehen. Hier finden Sie Einblicke in die Ausstellung.

Im Jahr 2015 wurde auf dem ehemaligen Kasernengelände in Donnerschwee, dem heutigen Wohnquartier Neu-Donnerschwee, beim Bau eines Spielplatzes ein Gedenkstein für Kaiser Wilhelm I. ausgegraben. In Folge der Restaurierung und der anschließenden Wiederaufstellung des Gedenksteins am Fundort entstand eine öffentliche Debatte über das Für und Wider dieses Steins, seiner Positionierung und den historischen Kontext. In Ergänzung zur Pop-Up-Ausstellung wurden in einer dreiteiligen Vortragsreihe militärgeschichtliche und erinnerungskulturelle Aspekte vertieft und diskutiert. Im Rahmen der Ausstellung wurden die Besucherinnen und Besucher dazu angeregt ihre Meinung zum Gedenkstein zu äußern und sich an Debatte zu beteiligen.

 

Kurze Historie und Hintergründe der Kaserne

16. Juni 1869

Besuch des preußischen Königs Wilhelm I. auf dem Exerzierplatz in der noch nicht zu Oldenburg gehörenden Bauernschaft Donnerschwee.

1871

Gründung des Deutschen Reiches, Wilhelm I. wird erster deutscher Kaiser.

1872

Gründung des „Kampfgenossen-Vereins Oldenburg“, später Oldenburgs größter Kriegerverein. Bis 1891/92 erfolgte die Gründung neun weiterer Kriegervereine in der Stadt Oldenburg, 1904 sind es schon 196. Sie umfassen insgesamt 19.000 Mitglieder. Gemeinsam bilden diese Vereine den „Oldenburger Kriegerbund“.

1881

Fertigstellung der Infanteriekaserne für das III. Bataillon des Oldenburgischen Infanterieregiments Nr. 91, die später auch „Hindenburg Kaserne“ genannt wurde. Nach 1945 erhielt sie durch die Briten den Namen „Thomasblock“.

"Einen der umfangreichsten von der königlichen Bauinspection für die Garnisonstädte des Oldenburger Militär-Baudistrictes hergestellten Baucomplexe bildet das Infanterie-Casernement, von weit her auf der Höhe von Donnerschwee sichtbar. Auf dem Exercierplatze Donnerschwee gelegen nimmt dasselbe einen Flächenraum von 2 Hectaren ein. Davon sind 3900 qm bebaut, während 6100 qm zu Exercierplätzen, Gartenanlagen und Zufuhrwegen hergerichtet sind. Auf dem Grundstücke von rechteckiger Form sind erbaut: das Hauptgebäude, ein Exercierhaus, ein Feldfahrzeughaus, ein Gebäude zur Unterbringung des Pferdestalles und der Büchsenmacherei, 2 Latrinengebäude, ein Turngeräthe- und Spritzenhaus. Eine massive Umwährungsmauer umgiebt das Grundstück vollständig, wo nicht die Gebäude selbst die Grenze bilden. Schmiedeeiserne Thore schließen den in der Mittellinie gelegenen Haupteingang und das auf der Ostseite gelegene Wirtschaftsthor ab.“

– Zeitungsbericht, Nachrichten für Stadt und Land

1888

Der Tod von Kaiser Wilhelm I. führt zum Bau zahlreicher Denkmäler zur Ehrung des verstorbenen Kaisers, darunter das Kyffhäuserdenkmal in Thüringen oder das Kaiser-Wilhelm-Denkmal in Porta Westfalica.

4. September 1898

Auf dem Exerzierplatz in Donnerschwee wird der Kaiser Wilhelm-Gedenkstein feierlich enthüllt, eröffnet mit einer militärischen Parade von der Kaserne am Pferdemarkt bis zur Kaserne in Donnerschwee.

1935/36

Während der Zeit des Nationalsozialismus ist in der Kaserne Donnerschwee die Flakabteilung 32 der Wehrmacht stationiert. Das Kasernengelände wird durch den Bau weiterer Gebäude und der Integration der Infanteriekaserne von 1881 vergrößert. Adolf Hitler besucht in den Jahren bis 1945 mehrmals die Kaserne Donnerschwee.

Ende April 1945

Mehrere Luftangriffe der Alliierten auf verschiedene militärische Standorte in Oldenburg, unter anderem auch den Fliegerhorst, führen in der Kaserne Donnerschwee zur Beschädigung einiger Gebäude und etwa 15 Todesopfern.

Ab Mai 1945

Nach der Kapitulation Oldenburgs am 2./3. Mai wird die Stadt an kanadische Truppen übergeben, die den Raum Wilhelmshaven-Oldenburg bis Herbst 1946 besetzen. Die Donnerschwee Kaserne wird nach der Kapitulation von kanadischen und später britischen Truppen bewohnt. Nach dem kanadischen General Henry Duncan Graham "Harry" Crerar benannt, trägt sie den NamenCrerar Barracks“.

Juni 1948-1949

Aus Varel abgezogene Truppen der Dänischen Brigade gesellen sich zu den stationierten Briten in den Crerar Barracks. Während ihrer Stationierung geben sie Werkskonzerte für oldenburgische Angestellte und spenden zu Weihnachten Lebensmittel an Flüchtlingskinder, wie die NWZ berichtete. Dänemark hatte mit den Briten die Aufstellung einer 4000 Mann starken Truppe vereinbart, die in Ostfriesland unter anderem in Aurich, Varel und Jever stationiert waren. Die Dänen waren damit der sogenannten „Rheinarmee“ unterstellt.

Ab 1958

Nachdem die Bundeswehr das Kasernengelände übernommen hatte, wurde die Anlage bis ins Jahr 2007 militärisch genutzt. Im Jahr 2012 wurde das weitgehend ungenutzte Areal verkauft.

Ende 2014

wurde auf der ehemaligen Kasernenanlage mit umfassenden Umbaumaßnahmen begonnen, um ein modernes Wohngebiet mit historischem Charme zu erschaffen. Einige Bau- und Aufräumarbeiten dauern bis heute an.

2015

Beim Bau eines Spielplatzes auf dem neuen Wohnquartier-Gelände wurde der 1898 errichtete Kaiser Wilhelm-Gedenkstein in etwa 80 Zentimetern Tiefe wiederentdeckt. Der Gedenkstein wurde anschließend restauriert und am Fundort wiederaufgestellt.

NS Zeit

Nach 1945

Der Stein des Anstoßes

König Wilhelm I. von Preußen, der spätere deutsche Kaiser, war zusammen mit Otto von Bismarck auf einer Reise an die Jade, um dort den neuen preußischen Hafen Wilhelmshaven einzuweihen. Dabei nutzte er die Gelegenheit für einen Besuch Oldenburgs, der am 16. Juni 1869 stattfand.

Einer der drei Hauptakte des Besuches war die Truppenschau auf dem Exerzierplatz Donnerschwee, über die die „Nachrichten für Stadt und Land“ unter anderem berichteten: „Se. Maj. nahm trotz des reichlich herniederströmenden Regens eine eingehende Besichtigung und ein länger andauerndes Exerzitium aller drei Waffengattungen vor; in jeder Beziehung ist alles höchst zufriedenstellend ausgefallen.“(Nachrichten für Stadt und Land, No. 49, Ausgabe vom 19.06.1869)

Im Jahr 1898 wurde dieser Besuch des späteren Kaisers – wohlgemerkt der einzige Besuch von Wilhelm I. in Oldenburg – zum Anlass für die Aufstellung eines Gedenksteins genommen.

Der Stein trägt die Inschrift: „Hier hielt Wilhelm der Grosse des neugeeinten Deutschlands erster Kaiser am 16. Juni 1869 als oberster Feldherr des Norddeutschen Bundes Truppenschau über die Garnison Oldenburg. Errichtet am 4. Septbr. 1898.“

Die Einweihung dieses Gedenksteins wurde öffentlichkeitswirksam propagiert. Bereits seit Ende August wurde täglich in Zeitungsanzeigen des „Kampfgenossen-Vereins Oldenburg“ auf die Einweihung hingewiesen. Am 3. September, also einen Tag vor den Feierlichkeiten, wurde noch einmal an das Ereignis, dem durch den Gedenkstein gedacht werden sollte, erinnert: Der Bericht, der bereits am 19. Juni 1869 in den „Nachrichten für Stadt und Land“ über den Besuch des Königs Wilhelm I. erschienen war, wurde erneut abgedruckt.

Im Nachgang des feierlichen Aktes erfolgte wiederum eine ausführliche Berichterstattung in der Zeitung. Am 5. September erschien der Artikel „Die Einweihung des Kaiser Wilhelm-Gedenksteins auf dem Donnerschweer Exerzierplatz“. Darin wird der feierliche Zug der Kriegervereine beschrieben, die –  angeführt von einer Musikkapelle durch die mit Girlanden und Fahnen geschmückte Straßen – vom Pferdemarkt zum Exerzierplatz Donnerschwee ziehen. Alle Kriegervereine werden einzeln benannt und die Stifter des Gedenksteins werden hervorgehoben. Es sind drei stadt-oldenburger Kriegervereine: der „Kampfgenossen-Verein Oldenburg“, der „Verein ehemaliger 19. Dragoner“ und der „Kriegerverein vor dem Heiligengeistthor“.

Der letzte fotografisch dokumentierte Standort des Gedenksteins stammt von einer Postkarte aus den späten 1930er Jahren, die den Stein auf der mutmaßlich gegenüberliegenden Seite des jetzigen Standorts zeigt. Ein Luftbild aus dem Jahr 1938 lässt den Stein an dem Ort erahnen, wie ihn auch die historischen Aufnahmen zeigen.

Nach dem Fund des Gedenksteins im Jahr 2015 und der anschließenden Restauration und Wiederaufstellung am Fundort, entwickelte sich eine Debatte rund um die Berechtigung des Steines. Diese Debatte soll im Rahmen dieser Ausstellung aufgegriffen werden.