Künstlersymposium

„Künstler arbeiten für Oldenburg"

 

Ist die künstlerische Gestaltung öffentlicher Gebäude und Plätze notwendig?

Welche Möglichkeiten böten sich mit ihr, die Lebensumwelt der Bürger:innen zu gestalten?

Diese Fragen wurden vom 3. September bis 23. September 1977 bei dem Symposium „Künstler arbeiten für Oldenburg“ erstmals öffentlich diskutiert. Die Stadt lud sechs regionale und überregionale männliche Künstler mit Erfahrungen in der Kunst im öffentlichen Raum ein, bestimmte Gebäude und Plätze in der Innenstadt künstlerisch aufzuwerten. Erst anhand von Modellen dargestellt, setzten die Künstler die Plastiken oder Wandbemalungen anschließend an den ausgewählten Orten um.

Am Klingenbergplatz steht noch immer ein Kunstwerk, das im Rahmen des ersten Symposiums geschaffen wurde: Ein schlanker, quadratischer Mast aus glänzendem Stahl trägt in vier Metern Höhe 14 rechteckige Stahlplatten. Diese sind mit Scharnieren verbunden und ragen unterschiedlich weit heraus. Die glatt geschliffenen Oberflächen wirken filigran, besonders aus der Ferne.

Bei stärkerem Wind bewegen sich die Platten sanft und leise und verändern ständig ihre Anordnung. Manchmal erinnern sie an eine Flagge, eine Figur mit ausgestreckten Armen oder einen zufälligen Wegweiser. Sind die Platten eingeklappt, lassen sie sich vom Wind kaum bewegen – ein Sinnbild für innere Stimmungen.

Der Künstler, Klaus Dietrich Boehm, nannte die Skulptur „Katmer Lesmek“ (türkisch), was etwa „viele Schichten bilden“ bedeutet. Ursprünglich gehörten zum Kunstwerk vier Stangen, mit denen Passant:innen die Stahlplatten neu anordnen konnten. Leider sind diese Stangen verschwunden, doch es besteht der Wunsch des Vereins Kreyenbrücker, sie nachzubilden, um das Kunstwerk nach fast 50 Jahren wieder gemeinsam aktiv gestalten zu können.

 

 

In den darauffolgenden Jahren wurden bis 1987 weitere vier Künstlersymposien durchgeführt, jeweils mit anderen Schwerpunkten: 1979 – Steinbildhauerei (Marmor), 1981 – Wandmalerei, 1985 – Holzbildhauerei, 1987 – Steinbildhauerei (Sandstein). Die Kunstwerke entstanden überwiegend vor den Augen der Oldenburger:innen. Ziel war es, ihnen einen Einblick in den Entstehungsprozess von Kunst in der Öffentlichkeit und einen Austausch mit den Künstler:innen zu ermöglichen. Einige der Werke hat die Stadt Oldenburg angekauft. Viele befinden sich noch am ursprünglichen Standort und haben sich wie selbstverständlich in das Stadtbild eingefügt. Eine Möglichkeit sich eine Übersicht über die vielfältigen Kunstwerke in Oldenburg zu verschaffen bietet der interaktive Stadtplan des Geoportals der Stadt Oldenburg. Unter der Rubrik Kultur kann der Filter „Kunst im öffentlichen Raum“ gesetzt werden und es erscheinen die Standorte nebst Informationen zu sämtlichen Kunstwerken.

 

Ein häufiger Vertreter bei den Symposien war der Oldenburger Bildhauer Udo Reimann. Udo Reimann wurde 1939 in Jauer, Schlesien, geboren und erlebte 1946 die Vertreibung seiner Familie. Er wuchs in Neuenburg, im friesischen Raum sowie in Bremen auf. Nach seiner Schulzeit studierte er an der Staatlichen Kunstschule Bremen und an der Kunsthochschule in Münster.

1968 zog Reimann nach Oldenburg, wo er gemeinsam mit Klaus Beilstein, Max Steffens und Peter Vogel die „Ateliergemeinschaft Schlossplatz 22“ gründete. Zwei Jahre später verlegte er sein Atelier und Wohnhaus nach Oberlethe im Landkreis Oldenburg. In dieser Zeit begann er, an Wettbewerben für Skulpturen und Denkmäler im öffentlichen Raum teilzunehmen. Eine seiner ersten größeren Arbeiten war die Wasserskulptur aus Muschelkalk, die 1969 am Leffers Eck in Oldenburg aufgestellt wurde. 1972 folgte ein Brunnen im Herbertgang in der Langen Straße sowie 1987 eine Bronzesäule am Eingang.

Zwischen 1975 und 1982 war Reimann Mitglied der Künstlergruppe Kranich, die für ihre gemeinschaftlichen Projekte bekannt war. Seine künstlerische Arbeit umfasste zahlreiche Skulpturen im öffentlichen Raum der Stadt Oldenburg und des Oldenburger Landes. Besonders bedeutend ist seine 1990 geschaffene Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus in der Peterstraße in Oldenburg.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagierte sich Udo Reimann als Mitorganisator und Teilnehmer an Bildhauer-Symposien und setzte sich für die Förderung der zeitgenössischen Bildhauerkunst ein. Auch das erste Künstlersymposium in Oldenburg 1977 entstand durch seine Initiative. 

Der langjährige Kulturdezernent Ekkehardt Seeber erinnerte sich daran folgendermaßen:

Als ich im September 1976 das Amt des Kulturdezernenten übernahm, fand ich auf meinem papierüberhäuften Schreibtisch einen Brief des damals in Oberlethe wohnenden Bildhauers Udo Reimann an meinen früh verstorbenen Vorgänger. Der Brief war ungelesen und nicht entsorgt worden. Udo Reimann regte an, in der Stadt Oldenburg ein Künstlersymposion durchzuführen, damals zumindest  für eine behäbige Provinzstadt, für die die neu eingerichtete Universität noch ein Unruheherd war, eine ungewöhnliche Vorstellung.“ (Meinhard Tebben (Hrsg.): Skulpturen und Plastiken in Oldenburg. Oldenburg, 2001. S. 50.)

 

 

Für sein Schaffen und sein Engagement wurde er 2011 mit dem Kulturpreis der Oldenburgischen Landschaft ausgezeichnet. 2013 erhielt er das große Stadtsiegel der Stadt Oldenburg, eine besondere Ehrung für seine Verdienste um die Kultur und Kunst der Region.

Am 25. August 2023 verstarb Reimann in Oldenburg. Oberbürgermeister Jürgen Krogmann ordnete Reimanns Schaffen rückblickend folgendermaßen ein:

Udo Reimann hat mit seinen bildhauerischen Werken bedeutende städtebauliche Akzente im öffentlichen Raum gesetzt – nicht nur an vielen Stellen in der Stadt Oldenburg, sondern auch in der Region. Er war Bildhauer aus Leidenschaft, das hat jede und jeder gespürt, die oder der ihm bei der Arbeit in seinem Atelier über die Schulter schauen konnte (…).“ (Stadt Oldenburg: Bildhauer aus Leidenschaft: Trauer um Udo Reimann, 2023, www.oldenburg.de/metanavigation/presse/pressemitteilung/news/bildhauer-aus-leidenschaft-trauer-um-udo-reimann.html)

 

 

Text: Ria Glaue