Baumgartenstraße

Krachmacherstraße seit 1884

 

Die Baumgartenstraße dient heute als etwas unscheinbare Verbindung zwischen den beiden großen Einkaufsstraßen Lange Straße und Achternstraße. Ehemals befand sich an dieser Stelle der „Baumgarten“ – ein mit Obstbäumen bepflanztes Gelände, das unter Graf Johannes II. von Oldenburg (1272-1314) angelegt worden war. 1798 erwarb der Kaufmann Niels Hoyer das Eckgrundstück zur Langen Straße und verlegte sein 1777 in der Haarenstraße gegründetes Lebensmittelgeschäft an diesen Standort. Als sein ältester Sohn, Jakob Christian, das Geschäft übernahm und um den Verkauf alkoholischer Getränke und Kolonialwaren (aus Übersee importierte Produkte wie Kaffee, Tee, Zucker, Gewürze) erweiterte, kaufte er das Nachbargebäude dazu, um mehr Lagerfläche zu haben. Das Geschäft wurde immer mehr ausgeweitet und zwischen 1860 und 1890 entstand in der Baumgartenstraße/Ecke Lange Straße in mehreren Bauabschnitten der heute als Gebäude noch existierende große dreiteilige Komplex des Handelshauses Hoyer.

Bis heute erinnert ein altes Werbeschild mit einer Traube an die Wein- und Spirituosenhandlung Ernst Hoyer, den Enkel von Jakob Christian Hoyer, der Ende des 19. Jahrhunderts die Geschäfte übernahm. Neben dem Geschäft für alkoholische Getränke und Kolonialwaren wurde 1884 im Untergeschoss der gastronomische Betrieb „Hoyers Weinkeller“ eröffnet. Wie in der Zeit allgemein beliebt, wurden Werbepostkarten mit eigenen Motiven vertrieben, über die Gäste des Weinkellers Grüße verschicken konnten. Man traf sich gerne mit mehreren Leuten im Lokal und versendete Grüße und Glückwünsche per Ansichtskarte an Freunde und Familie.

Neben dem Geschäft in der Baumgartenstraße gehörte auch eine 1842 errichtete Brauerei mit angeschlossener Seifen- und Kerzenproduktion an der Donnerschweer Straße zum Unternehmen Hoyer (heute Wohnquartier Lindenbogen). Damit war Hoyer im 19. Jahrhundert einer von mehreren Brauereibetrieben in Oldenburg. Die Brauerei wurde 1922 mit dem Unternehmen Haslinde zur Haslinde-Hoyer-Brauerei zusammengelegt und produzierte noch bis in die 1970er Jahre auf dem Haslindegelände am Stadtrand. Das ehemalige Brauereigebäude der Firma Hoyer wurde von Anton J. Becker aufgekauft und zu einer Margarine- und Sauerkrautfabrik umgebaut.

Die Familienmitglieder Hoyer waren nicht nur durch ihr Handelshaus bekannt. Jakob Christian Hoyer (1794-1865) beispielsweise gründete mit sieben anderen Kaufleuten am 6. Januar 1845 die Oldenburgische Spar- und Leihbank. Bis 1848 war er erster Direktor der Bank. Hoyer hatte erkannt, dass das zunehmende Wachstum der Oldenburger Wirtschaft eine Institution benötigte, bei der einerseits Kredite aufgenommen und andererseits das erwirtschaftete Geld angelegt werden konnte. Als die Spar- und Leihbank zu klein für die Anforderungen des wirtschaftlichen Wachstums wurde, resultierte daraus 1869 die Gründung der Oldenburgischen Landesbank.

Das Hoyer-Gebäude war auch nach der Schließung von Geschäft und Weinkeller in den 1950er Jahren ein Ort vielfältiger Veranstaltungsgastronomie. Verschiedene Kneipen und Diskotheken machten die Baumgartenstraße im 20. Jahrhundert zu einer beliebten Partymeile – und in den Augen mancher zur „Krachmacherstraße“. Die Gastronomie im Gewölbekeller des Hauses wechselte mehrfach und so kamen und gingen auch die Namen: „Palette Bar“, „Löwenbräu“, „Bacchus-Keller“ oder „Töff-Töff“. Ab den 1960er Jahren wurde dann die Diskothek „Montparnasse“ zu einem beliebten Treffpunkt für Jugendliche. Nach einer Currywurst in der Eckkneipe „Gretna Green“ an der Langen Straße ging es zum Tanzen zu den DJs Ingo Hochartz oder Jürgen Finsterbusch, die vielen älteren Oldenburger:innen noch in guter Erinnerung sind. In den 1980er und 1990er Jahren lud die Diskothek dann als „Sun up's“ zu langen Nächten ein. Heute ist dort der Club „Cubes“, der die Feiertradition in der „Krachmacherstraße“ weiterführt.

 

Text: Franziska Boegehold-Gude