Der Pulverturm

Oldenburgs ältestes Verkehrshindernis

 

Der Pulverturm am Schloßwall fällt im Stadtbild auf. Er ist das einzige noch erhaltene Bauwerk der ehemaligen Stadtbefestigung. Graf Anton I., der Großvater vom bekannten Grafen Anton Günther, ließ den Turm 1529 als Teil einer Erweiterung der Stadtbefestigung unweit des Stadttores Eversten-Tor bauen (damals noch ein einfacher Rundbau ohne Überdachung). Wo heute Fußgängerzone und Innenstadt enden, waren im 16. Jahrhundert die durch eine Mauer geschützten Grenzen Oldenburgs. Der noch gebräuchliche Name Pulverturm stammt aus der Zeit der dänischen Herrschaft. Gut 100 Jahre (1667 bis 1773) stand Oldenburg unter dänischer Verwaltung. In dieser Zeit wurde die Stadtbefestigung saniert und der Pulverturm kam zu der Funktion, die sein Name verrät: Er diente als Lagerstätte für Schießpulver, mit dem damals Schusswaffen geladen wurden.

Nach einem Machtwechsel wurde Oldenburg unter Herzog Peter Friedrich Ludwig wieder Regierungssitz und die Prioritäten änderten sich. Die Festungsanlagen wurden Anfang des 19. Jahrhunderts abgetragen. Nur der Pulverturm blieb erhalten. Dieser hatte ab sofort eine neue Aufgabe. Der Turm diente der herzoglichen Familie, die im unweit gelegenen Schloss residierte, als Eiskeller. Der Pulverturm war als „Kühlschrank“ bestens geeignet. Das gefrorene Wasser wurde im Winter eingelagert und dann übers Jahr hinweg in der Hofküche zum Kühlen verwendet. Auch der Platz um den Pulverturm herum bekam eine neue Funktion. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand der Schlossgarten und nun stand der Turm am Rande dieses zunächst nur der großherzoglichen Familie zugänglichen Parks. Umgeben von Bäumen stand er damals wildromantisch an der Hausbäke, einem Nebengewässer der Haaren, das noch direkt am Turm vorbei in Richtung Hafen floss. Im 20. Jahrhundert wurde schließlich kein Eiskeller mehr benötigt und so geriet der Pulverturm mit den Jahren etwas in Vergessenheit.

Um dem zunehmenden Autoverkehr gerecht zu werden, wurden in den 1960er Jahren in Oldenburg viele neue Straßen angelegt und das Gesicht des inneren Stadtbereiches veränderte sich deutlich. Das galt auch für das Gebiet rund um den Pulverturm. Mit dem Neubau der Straße Schloßwall wurden Teile des Schlossgartens und des Elisabeth-Anna-Palais schräg gegenüber des Pulverturms abgerissen. Der Pulverturm blieb knapp verschont, rückte aber durch die Baumaßnahmen wieder mehr in den Fokus. 1966 wurde er unter Denkmalschutz gestellt. Als dann Anfang der 1970er Jahre Planungen öffentlich wurden, die eine autobahnähnliche Trasse durch den Schlossgarten vorsahen, regte sich Protest in der Stadtbevölkerung. Eine 1972 gegründete Bürgerinitiative konnte den Bau verhindern und den geliebten Erholungsort erhalten.

Seit 1996 wird der Pulverturm für kulturelle Zwecke genutzt. Einmal jährlich findet die Ausstellungsreihe „Keramik im Pulverturm“ statt. In dieser Zeit ist das Innere des Turms öffentlich zugänglich. Neben dem Pulverturm wurden bei einer Ausgrabung 1992/93 Reste der ehemaligen Stadtmauer und Festungsanlage gefunden. Die Ausgrabungsstätte wurde offen gelassen, um sich eine Vorstellung der früheren Bebauung machen zu können. Wo in früheren Jahrhunderten eine Mauer die Stadt begrenzte, fahren und gehen die Oldenburger:innen heute ungehindert ihrer Wege.

Text: Franziska Boegehold-Gude