Polygenos
Gemeinsam fürs Poly-Haus
Als im Sommer 2013 das Gebäude verkauft werden sollte, in dem der Klub „Polyester“ im Erdgeschoss seine Räume hat, wollten das viele nicht einfach so hinnehmen. Stammgäste, Mitarbeiter:innen und Menschen, denen ein vielfältiges Stadtbild wichtig ist, engagierten sich und gründeten eine Genossenschaft, um das sogenannte Poly-Haus kaufen und als kreativen Ort bewahren zu können. Und es funktionierte. Innerhalb kurzer Zeit zeichneten über 800 Mitstreiter:innen Genossenschaftsanteile im Wert von 275.000 Euro. So konnte das Gebäude von der „Polygenos Kulturräume eG“ im März 2014 gekauft werden.
Nachdem der erste Schritt getan war, musste die Sanierung in Angriff genommen werden. Unter anderem wurde die Fassade saniert. Verkleidet mit 2.000 goldfarbenen Schindeln ist das Gebäude inzwischen weithin sichtbar trotz seiner direkten Nachbarschaft zum groß dimensionierten ehemaligen Hertie-Gebäude (heute CCO). Die Idee zu den Metall-Schindeln hatte der begleitende Architekt Detlef Stigge. In einer Generalversammlung wurde mehrheitlich für den Entwurf gestimmt, mit dem auch ein niedrigschwelliges Angebot gemacht werden konnte, sich als interessierte Bürger:in für das Projekt zu engagieren. Denn realisiert werden konnte die Fassadengestaltung auch durch eine Aktion, bei der virtuell eine Patenschaft für die Schindeln erworben werden kann. Verbunden ist damit die Möglichkeit, einen Wunsch für die Stadt zu formulieren. Die Wünsche sind über ein virtuelles Modell abrufbar »
Im Baustil-Mix der Straße Am Stadtmuseum zwischen Pferdemarkt und Lappan-Kreuzung wird das Poly-Haus heute von den meisten anderen Gebäuden überragt. Gebaut worden war es 1965 von der Familie Besser als Wohn- und Geschäftshaus. Das Fotoatelier Besser hatte eine lange Tradition in Oldenburg. Heinz Besser, der aus Schlesien stammte, übernahm 1925 das Fotoatelier Feilner & Mohaupt, das er später in „Studio Besser“ umbenannte. Nach seinem Tod 1959 übernahmen zwei seiner Töchter und ein Enkel das Fotostudio. Im Zuge der Bahnhochlegung in den 1960er Jahren wurde das alte Studio-Gebäude in der Raiffeisenstraße abgerissen, so dass neue Räumlichkeiten in der Nähe gefunden werden mussten und der Neubau entstand. Das Fotogeschäft existierte im neuen Gebäude bis 1985.
Neben dem Polyester Klub befinden sich heute mehrere Mieter:innen im Gebäude, wie beispielsweise Schwarzseher Film oder die Agentur Raum auf Zeit. Daneben kann ein sogenannter Kommunikationsraum stunden- und tageweise gemietet werden. Engagierte Mitglieder der Genossenschaft arbeiten daran, dass das Poly-Haus weiterhin ein kreativer und offener Ort bleibt. Der Name Polygenos setzt sich übrigens aus zwei altgriechischen Wörtern zusammen: poly für viele und genos für Gemeinschaft.
Text: Franziska Boegehold-Gude