Lambertikirche

Franzosen!

 

Am 28. Februar 1811 wurde Oldenburg durch einen Festakt in der Lambertikirche und eine Proklamation, die die Einwohnenden als französische Bürgerinnen und Bürger ansprach, durch Frankreich in Besitz genommen.

Die Ausgangslage der „Oldenburger Franzosenzeit“, also die Fremdbeherrschung durch das französische Kaiserreich von 1806 bis 1814, reicht allerdings schon etwas früher zurück. Sie liegt in den Expansionsansprüchen Napoleon Bonapartes begründet, der in dieser Zeit seine Herrschaft durch die Annexion weiter Teile Mitteleuropas ausdehnte. Nach der Besetzung des Kurfürstentums Hannover sowie des Königreichs Holland grenzte das Herzogtum Oldenburg im Frühjahr 1810 direkt an Frankreich und wurde wenige Monate später ebenfalls annektiert. Es entstanden die vier sogenannten „Hanseatischen Departements“. Parallel zu den Flüssen Ems, Weser und Elbe dehnten sich diese bis nach Hamburg und Lübeck aus und bildeten im Süden eine Grenze mit dem Königreich Westphalen. Die früheren Grafschaften Oldenburg und Delmenhorst wurden im Arrondissement Oldenburg zusammengefasst, welches zum Departement der Wesermündungen gehörte und Bremen als Hauptsitz hatte.

Neben zivilgesellschaftlichen, militärischen und politischen Fortschritten zur Zeit der Besatzung war die Herrschaft Napoleons auch von starken finanziellen Belastungen für die Oldenburger Gesellschaft geprägt. Die Bevölkerung im Nordwesten, vor allem junge Männer, die in die französische Armee gezwungen wurden, litten unter den Folgen von Napoleons Russlandfeldzug und der Kontinentalsperre, einer Wirtschaftsblockade gegenüber dem Vereinigten Königreich. Bereits ab 1813 kam es in Oldenburg und Umgebung vermehrt zu Aufständen. Nachrichten über Napoleons Rückzug und das Vordringen russischer Kavallerie nach Hamburg heizten den Widerstand gegen die französische Besatzung weiter an. Schließlich ordnete der Präfekt der Region die Räumung der Verwaltungsstellen und den Abzug der Truppen an, nicht aber ohne zuvor eine Regierungskommission einzusetzen, die das Herzogtum Oldenburg in französischem Sinne verwalten sollte. Die Kommission bestand aus fünf Oldenburger Beamten. Ihr Einsatz sollte offiziell der Beruhigung des Volkes dienen, was ihnen misslang. Es bleibt fraglich, ob die Beamten in ihrer nur viertägigen Wirkungszeit die Hoffnung entwickelten, zu einer aus ihrer Sicht legitimen Herrschaft des vertriebenen Herzogs von Oldenburg Peter Friedrich Ludwig zurückkehren zu können oder ob sie tatsächlich den überall aufkeimenden Widerstand anheizen wollten.

Doch das Blatt wendete sich. Napoleon gewann zwei Schlachten bei Lützen und Bautzen, der französische Präfekt kehrte daraufhin nach Oldenburg zurück. Die Beamten, die sich in dessen Abwesenheit wenig um eine Sicherung der Machtverhältnisse gekümmert und viele der Verordnungen sogar rückgängig gemacht hatten, mussten sich in Bremen vor Gericht verantworten. Zwei von ihnen wurden in einem Schauprozess wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet.

Im Herbst 1813 änderte sich das Kriegsgeschehen erneut. Nach Niederlage in der Völkerschlacht von Leipzig, in der die verbündeten Truppen Österreichs, Preußens, des Russischen Kaiserreichs und Schwedens die Truppen Napoleon Bonapartes schlugen, zogen die Franzosen am 5. November 1813 endgültig ab. Nur drei Wochen später, am 21. November 1813 kehrte der vertriebene Peter Friedrich Ludwig nach Oldenburg zurück, der dort überwiegend mit großer Begeisterung empfangen wurde. Von den französischen Reformen, wie etwa dem freiheitlichen „Code civil“, dem französischen Gesetzbuch für Zivilrecht, das in großen Teilen noch heute in Frankreich Gültigkeit besitzt, blieb allerdings nicht viel übrig. Zu groß war der Wunsch der Bevölkerung nach einer Rückkehr in Verhältnisse, in denen sie vor der Besatzung lebten.

Text: Dr. Steffen Wiegmann