Stau

„Hol öwer!“

 

Es gibt heute am Stau nicht mehr viel, was die einstige Bedeutung des Oldenburger Hafens erahnen lässt. Zwar ist er noch heute einer der wichtigsten Binnenhäfen in Niedersachsen mit einem hohen Aufkommen an Güter- und Warenverkehr, seine Geschichte ist aber wesentlich vielseitiger.

Die Stadt Oldenburg war ab dem 14. Jahrhundert offiziell berechtigt, Schifffahrt zu betreiben. Als „Stouw“ wird der städtische Hafen erstmals 1383 dokumentarisch erwähnt. Die Handelsschiffe, die im 14. und 15. Jahrhundert auf dem Fluss verkehrten, waren oft Ziel von Piratenangriffen und Plünderungen. Doch auch die Oldenburger Schiffer selbst waren in seeräuberische Tätigkeiten verwickelt: Sie waren die Hauptverantwortlichen für Piraterie auf Hunte und Weser bis ins 17. Jahrhundert hinein und im 15. Jahrhundert erstreckten sich ihre Kapernfahrten sogar bis in die Nord- und Ostsee.

Die Oldenburger Handelsschifffahrt wuchs ab dem 16. Jahrhundert rasant und sollte in den nächsten beiden Jahrhunderten einer ganzen Region im Nordwesten prosperierenden Wohlstand bescheren. Die Grafen Oldenburgs unterhielten nicht nur Schifffahrtsbeziehungen mit Hamburg, Dänemark oder den Niederlanden, sondern auch mit Frankreich, Spanien, Portugal, Norwegen und Island. Erst die Konkurrenz durch Nachbarstaaten und die Entscheidung Preußens, die Handelsschifffahrt auf der Ems zu verstärken, führte in Oldenburg zu einem allmählichen Niedergang des Schiffhandels und des Wirtschaftslebens.

Bis 1792 wurde die Staustraße von der Stadtmauer Oldenburgs begrenzt und an ihrem Ende stand das Stautor, eines von fünf Stadttoren. Der Wasserlauf reichte fast bis zur Staustraße heran und hatte eine Verbindung zur Haaren mit ihrem Verlauf rund um die Altstadt. Die Entstehung des Straßenverlaufs, der heute unter dem Namen „Stau“ bekannt ist, ist auf eine Begradigung der Hunte im Hafengebiet zurückzuführen. Bis 1845 gab es den Huntebogen, der sich heute noch am Verlauf des Staus nachvollziehen lässt. Durch Ausfüllung des gesamten Huntebogens entstand eine Straße, die fast zwei Kilometer am Ufer flussabwärts führt.

Das erste Personendampfschiff in Oldenburg traf am Morgen des 20. November 1845 in seinem künftigen Heimathafen ein. Der Beginn der Dampfschifffahrt war zunächst noch von großen Protesten der Kahnschiffer:innen begleitet, die sich durch die neuartigen Schiffe in ihrer Existenz bedroht sahen.

Mit Entstehen der Glashütte im Jahr 1840 setzte endgültig die Epoche der industriellen Hafennutzung ein. Seitdem entwickelte sich das Hafengebiet zu einem internationalen Umschlagplatz für immer größer werdende Mengen an Rohstoffen.

In den 1930er und 1960er Jahren wurde das alte Hafenbecken, das zuvor noch bis an den Bereich Ritterstraße / Staustraße heranreichte, schrittweise zurückgebaut – der erweiterte Stautorplatz entstand.

Zuvor war der kürzeste Weg von Osternburg zum Hauptbahnhof eine Überfahrt in Höhe des heutigen „OLs“ mit dem Fährmann Heinrich Heeren gewesen, der allen als „Heini vom Stau“ bekannt war. Dadurch ersparten sich die Menschen einen Umweg über den Stautorplatz. Durch das Überbauen des Hafenbeckens und das Einsetzen der Motorisierung wurde die Fähre überflüssig. Am 5. Oktober 1957 erklang für den 78-jährigen Heeren das letzte Mal „Hol öwer!“

Der Rückgang der hafenaffinen Industrie und des Schiffhandels am Stau vollzog sich langsam. Immer mehr kleine und größere Firmen und Fabriken, die einst noch auf die Nähe zum alten Stadthafen angewiesen waren, siedelten stadtauswärts. 1973 tauchten das letzte Mal Fischkutter am Stau auf. In den 1980er Jahr verschwanden markante Bauten wie das ehemalige Elektrizitätswerk, aber auch das große, über 50 Meter hohe Getreidesilo oder der Schlachthof. Beide hatten bis dahin für einprägsame Gerüche bis in die Innenstadt gesorgt.

Heute erinnert am Stau kaum noch etwas an den jahrhundertlangen Handel mit verschiedenen Ressourcen. Die Verschiffung von landwirtschaftlichen Gütern und Baustoffen findet inzwischen außerhalb der Bahnlinie am Osthafen statt. Seit 2013 schreitet der Ausbau des Stadthafens zu einem exklusiven Wohn- und Freizeitgebiet zunehmend voran. Auf seine Vergangenheit als Handelshafen verweist lediglich der alte Hafenkran am Beginn der Promenade – der Rest ist Geschichte.

Text: Alexander Duschek