Nordtangente

Ringen um den Ringschluss

 

Oldenburgs erweiterte Innenstadt ist von einer Ringautobahn umschlossen. Dieser besteht aus Teilabschnitten verschiedener Bundesautobahnen: Die A 28: Sie führt in Richtung Westen nach Leer und Emden in Ostfriesland und in Richtung Osten über eine Hochstraße nach Delmenhorst und Bremen. Sie bildet den östlichen und südlichen Teil des Autobahnrings. Die A 29: Sie führt in Richtung Norden nach Wilhelmshaven und nach Süden zum Autobahndreieck Ahlhorner Heide. Sie bildet den gerade verlaufenden östlichen Teil des Rings. Die A 293: Sie beginnt am Dreieck Oldenburg-West und verbindet die A 28 mit der A 29 am Autobahnkreuz Oldenburg-Nord. Von dort geht sie in die B 211 Richtung Brake und zum Wesertunnel über. Und schließlich die Nordtangente: Sie verbindet die Autobahnen 293 und 29 zwischen den Anschlussstellen Nadorst und Ohmstede und schließt somit den Autobahnring. Häufig als L 865 beschrieben, besteht sie jedoch aus insgesamt drei verschiedenen Abschnitten. Das Teilstück von der Autobahnanschlussstelle Nadorst bis zur Ausfahrt Nadorster Straße ist die B 69. Ab hier bis zur Ausfahrt Donnerschweer Straße heißt sie Kreisstraße 347. Von dort bis zur Anschlussstelle Ohmstede handelt es sich um die Landesstraße 865.

Die Autobahnen wurden nötig, um den innerstädtischen Verkehr zu entlasten, der mit dem rasanten Anstieg der Motorisierung in den 50er Jahren in ganz Deutschland zu verstopften Innenstädten führte.

Die vielen Auf- und Abfahrten in Oldenburg sind typisch für Stadtautobahnen, damit so wenig Wege wie möglich quer durch die Stadt gefahren werden. Charakteristisch für Oldenburg ist aber, dass Teile der Stadtautobahnen auf einem Damm mitten durch geschlossene Wohngebiete führen.

Bevor die A 28 und die A 29 in den 1970er Jahren zu Autobahnen ausgebaut wurden und Oldenburg somit an das Bundesautobahnnetz angeschlossen wurde, befanden sich an ihrer Stelle innerstädtische Umgehungsstraßen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Bundesstraßen fertiggestellt worden waren.

Der schon während des Krieges 1940 begonnene Ausbau der Umgehungsstraße zwischen Nadorster und Cloppenburger Straße sollte eine Verbindung zum Kriegshafen Wilhelmshaven herstellen. Die bisherige Verbindung zwischen Ostfriesland und Wilhelmshaven verlief noch mitten durch die Stadt. Für die schnelle Umsetzung des Baus wurden zwischen 1940 und 1945 tausende Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt. Über ihr Schicksal informiert heute am Prinzessinweg 48 eine Stelltafel. Die Fertigstellung erfolgte aber erst 1954.

Schon Ende der 60er Jahre entwickelten sich erste Ideen, die Umgehungsstraße zu einer kreuzungsfreien Autobahn auszubauen, weil die Straße mit ihren zahlreichen Kreuzungen und Ampeln schon nach einigen Jahren an ihre Kapazitätsgrenzen stieß. Aber erst mit der Unterstützung des damaligen Bundesministers Dr. Lauritz Lauritzen im Jahr 1974 konnten das Projekt auf den Weg gebracht werden. Auch die Finanzierung der Huntebrücke, deren Bau im Oktober 1978 fertiggestellt wurde, war durch seine Zusage in Höhe von zwei Millionen D-Mark sichergestellt worden. Für seinen Einsatz wurde er im gleichen Jahr zum Oldenburger Kohlkönig gekrönt und zum traditionellen „Defftig Ollnborger Gröönkohl-Äten“ in Bonn (heute findet es in Berlin statt) eingeladen.

 

Die Nordtangente konnte erst 1987, nach einer Bauzeit von siebeneinhalb Jahren, fertiggestellt und damit der Oldenburger Autobahnring geschlossen werden. Bis zum endgültigen Baubeschluss des Stadtrats 1980 wurde der Nordtangentenbau von einer der größten Bürgerbewegungen in Oldenburgs Geschichte begleitet. Der Grund für die Planung der Nordtangente war eine amtliche Verkehrsprognose im Jahr 1975, die ermittelte, dass die neue Straße im Jahr 1990 eine Belastung von 14.500 Fahrzeigen pro Tag aufnehmen würde. Diese Zahl wurde später sogar auf 21.000 Fahrzeuge erhöht. Laut des damaligen Stadtbaurats würde sich diese Menge sehr nachteilig auf unzulängliche Wohnsammel- und Wohnstraßen verteilen, wenn der Oldenburger Autobahnring im Norden nicht geschlossen würde.

Die „Bürgerinitiative Nordtangente“ wollte den Bau der Trasse direkt durch Wohngebiete der Stadtteile Neu-Donnerschwee und Ohmstede aus Lärm- und Naturschutzgründen verhindern und startete wiederholt Unterschriftenaktionen, richtete Großdemos aus und strengte sogar Klagen auf ausreichenden Lärmschutz an. Ihr Einsatz führte zu zahlreichen kommunalpolitischen Debatten und einigen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Schließlich wurde den Bedenken der Bürger:innen nicht entsprochen und der Stadtrat beschloss am 9. Juli 1980 endgültig die Änderung Nr. N-215 des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans Nr. N-580.

Eine geplante Verlängerung der Nordtangente, die quer durch die Bornhorster Wiesen führen sollte, konnte jedoch mit Einsatz der Bürgerinitiative „Keine Straße durch die Bornhorster Wiesen“ abgewendet werden. Seit 1991 sind die Wiesen Naturschutzgebiet. Im Juli 2020 fand auf einem knapp zwei Kilometer langen Teilstück der Nordtangente erstmals eine Fahrraddemonstration mit 1500 Teilnehmenden statt, die sich für eine Mobilitätswende in Oldenburg einsetzen. Unter anderem waren an der Demonstration die Initiativen "Verkehrswandel Oldenburg", "Einfach Einsteigen" und das „Klimakollektiv Oldenburg“ beteiligt.

Text: Ria Glaue