Der Marstall

Von Pferdestärken und Kriegserinnerungen

 

Der Schlossplatz in seiner heutigen Gestalt trägt die Strukturen der Vergangenheit und ist, gemeinsam mit dem Marktplatz, das repräsentative Zentrum der Stadt Oldenburg. In den vergangenen 100 Jahren wurde der Platz wiederholt umgestaltet und -genutzt, so dass hier lange Jahre der Kramermarkt stattfand, zwischendurch ein kleiner Park angelegt wurde und dieser auch mal als Parkplatz diente. Die den Platz säumenden Architekturen unterlagen ebenfalls Veränderungen und waren wiederkehrend Gegenstand politischer Debatten und Auseinandersetzungen.

Der Marstall wurde 1775 errichtet und diente gemeinsam mit der, vom Schloss aus betrachtet, dahinterliegenden Reitbahn der herzoglichen Familie als Pferdestallung und Reitfläche (der Begriff Marstall entstammt den althochdeutschen Wörtern marah für Pferd und stal für Stall). Anders als gewöhnliche Pferdeställe repräsentierte das Gebäude des Oldenburger Marstalls ein hohes Amt des herzoglichen Hofes und wurde in diesem Sinne architektonisch gestaltet und auf dem Bereich der Schlossfreiheit errichtet. Die Schlossfreiheit umfasste die unmittelbare Nähe des Schlosses und unterstand nicht der Gerichtsbarkeit und Zuständigkeit des Rates oder Bürgermeisters. Hier arbeiteten und wohnten hohe Beamte des Hofes. Über die Beziehung eines Großherzogs zu seinem Stallmeister und dem alltäglichen Umgang mit der Zucht und den Pferden gibt das Buch „Aus einem Reiterleben“ nähere Auskunft, in dem die Prachtschrift des Stallmeisters und Oberbereiters Friedrich Rumpf editiert vorliegt.[1] Das heutige Wohnhaus in der Huntestraße 1a war übrigens ab 1835 als „Kleiner großherzoglicher Marstall“ verzeichnet.

 


[1] Elerd, Udo: Aus einem Reiterleben. Die Erinnerungen des Oberbereiters Friedrich Rumpf an seinen Dienstherrn Großherzog Paul Friedrich August von Oldenburg. Oldenburg 2014.

Während des Ersten Weltkriegs wurde die Reitbahn als Ort für eine Kriegsausstellung genutzt. Neben Uniformen und allerlei Kriegsgerät wurde unter anderem auch ein ausgestopftes Wisent präsentiert, dass der Großherzog offenbar an der Front erlegt hatte. Nach Abdankung des Großherzogs fielen Marstall und Reitbahn 1924 einem Brand zum Opfer. Während das Gebäude des Marstalls wieder Instandgesetzt wurde und u.a. bis 1953 als Arbeitsamt diente, verblieb die Reitbahn über 30 Jahre lang als Ruine. Beide Gebäude wurden schließlich abgerissen, um dem Bau des Hallenbads Platz zu machen, welches 1960 eröffnet wurde. Wiederum 51 Jahre später eröffnete 2011 an dieser Stelle das ECE Einkaufscenter Schlosshöfe.

 

Text: Steffen Wiegmann