Oldenburgisches Staatstheater

Und zitternd, mir ins Ohr gerauscht.

 

Im Jahr 2033 wird die Theaterbühne am Standort Theaterwall 200 Jahre alt. Bevor hier 1833 die erste feste Bühne in Oldenburg gebaut wurde, waren Theateraufführungen nur zu sehen, wenn eine wandernde Schauspiel-Gesellschaft ihren Weg nach Oldenburg fand. Für ein paar Tage wurde dann eine mobile Bühne in Sälen oder Ställen aufgeschlagen. Zwischen 1815 und 1832 spielte in Oldenburg auch die Gruppe des Bremer Stadttheaters in unregelmäßigen Abständen. Um diese Gastauftritte wirtschaftlicher gestalten zu können, schlug dessen Direktor Johann Christian Gerber 1832 vor, mit seinem Opern- und Schauspielensemble regelmäßig vor einem Abonnementpublikum zu spielen. Die Voraussetzung hierfür sollte aber ein fester Spielort sein. Seine Idee wurde von Oldenburger Theaterförderern unterstützt, die den Großherzog Paul Friedrich August für das Projekt gewinnen konnten. Die Verhandlungen mit Bremen führte im Auftrag des Großherzogs der 1. Kabinettssekretär Hofrat Karl Christian Ludwig Starklof. Schließlich stellte Paul Friedrich August den Bauplatz zur Verfügung und leistete finanzielle Unterstützung zum Bau des ersten Theatergebäudes in Oldenburg.

Das Theater wurde an der Straße Gastwall, dem heutigen Theaterwall, auf einem Stück „herrschaftlichen“ Land errichtet, das vor Aufgabe der Wälle zur Stadtbefestigung gehörte. Weil das Gebäude zunächst nur als eine günstige Übergangslösung für ein Jahr genutzt werden sollte, wurde es vom Oldenburger Zimmermeister Muck aus Holz gebaut. Als Eigentümer sollte er es bis April 1834 an das Theater vermieten. 1833, nach nur 82 Bautagen, konnte das erste Theater Oldenburgs mit Aufführung der Oper „Der Schnee“ von D’Albert vor ausverkauftem Publikum (460 Sitzplätze) eröffnet werden.

Das Oldenburger Theater war 1833 noch ein Nebenstandort des Bremer Theaters. Starklof, der das Theater als Intendant betreute, hatte aber ein selbständiges Oldenburgisches Theater im Sinn. Das Bespielen von zwei unterschiedlichen Spielstätten beanspruchte die Bremer Theaterleute und ihre Requisiten stark und trübte die Qualität der Darbietungen. Innerhalb eines Jahres baute Starklof ein eigenes Ensemble und eine eigene Direktion auf. Das Gebäude wurde dem Zimmermeister Muck abgekauft, ausgebaut und verschönert. Mit der Spielzeit 1834/35 wurde der Leiter des Bremer Theaters Gerber vertraglich an das Oldenburger Theater gebunden und zu seinem Direktor und Regisseur. Die Kooperation mit Bremen war damit zu Ende und das Oldenburger Theater selbständig.

Das Theater entwickelte sich zu einer beliebten und wichtigen Einrichtung der Stadt. Zwischen 1844 und 1867 wirkte hier der berühmte Julius Mosen als erster Dramaturg und verhalf dem Theater zu überregionaler Strahlkraft. Mit der Zeit wurden auch Rufe nach einem größeren und repräsentativen Neubau laut. Als es im Jahr 1869 während einer Vorstellung einen falschen Feueralarm gab und sämtliche Theatergäste panisch aus dem Gebäude stürzten, wurden die Planungen konkret, den Holzbau aufzugeben. Gut zehn Jahre später war es so weit. Das neue Theater sollte direkt neben das alte Theater gebaut werden. Der Standort hatte sich bewährt und Platz war vorhanden, auch die Finanzierung war durch großzügige Unterstützung der Stadt gesichert. Nur eine alte Weide, die den Platz bisher beansprucht hatte, musste gefällt werden. Ab 1879 begann der Bau des neuen Theatergebäudes, das im Oktober 1881 eröffnet wurde. Der Betrieb des alten Theaters wurde bis in den April 1881 aufrechterhalten. Die Ära des „alten Hauses“ endete mit der Aufführung von Shakespeares „Sommernachtstraum“.

Das alte Theater und die alte Weide verband eine lange Nachbarschaft und sie teilten dasselbe Schicksal – nämlich dem neuen Theater weichen zu müssen. In der Zeitung Nachrichten für Stadt und Land vom 28.4.1881 wurde anlässlich der Schließung des alten Theaters ein Gedicht veröffentlicht, in dem das Theater seine Geschichte erzählt und auch seine Nachbarin, die alte Weide, zu Wort kommt:

Was sich das alte Theater erzählt.

War auch mal jung und gern gesehn!

Nun aber ist´s um mich gescheh´n;

Pass´ in dem unscheinbaren Kleid

Nicht mehr in diese neue Zeit,

Nicht für die Bauten, deren Pracht,

zum Aschenbrödel mich gemacht.

Der Schnee empfing mich fertig kaum,

Und jetzt gibt Abschied mir ein Traum,

Muß fort! Zu meiner Nachbarin,

Der alten Weide will ich hin,

Die meine Träume oft belauscht,

Und zitternd, mir in´s Ohr gerauscht

- Als axtgefällt sie ging voraus -:

„So leb´ denn wohl, Du altes Haus,

Bald folgst Du mir, denn Deine Uhr

Ist abgelaufen, höre nur

Wie angstvoll rings der Boden bebt

Auf welchem man das Grab dir gräbt.“

Sei´s denn! Ich that stets meine Pflicht,

Bewahrt´ das Feuer und das Licht,

War Tag und Nacht auf meiner Huth

In Wintereis, in Sommergluth,

Hab´ manch Talent zuerst erkannt,

Als Führer ihm gereicht die Hand,

Und dankbar fällt noch mancher Blick

Aus weiter Fern´ auf mich zurück.

Mein einziges Bestreben war,

Durch mehr als vierzig lange Jahr´,

Dem wahrhaft Guten nur allein

Ein fester Heimathsort zu sein,

Für´s Schlechte hatte ich kein Ohr,

Wohl aber ein verriegelt Thor;

Und ist auch das, was ich gewollt,

Was ist erstrebte, was ich sollt´,

Nicht stets geglückt dem frohen Muth,

Je nun, der Wille war doch gut,

Und führt das neu erstand´ne Haus

Was ich begonnen, fertig aus,

Dann sink ich nicht in Grabes Nacht,

Dann wird auch meiner noch gedacht,

Wenn wieder einst nach langer Frist

Das Neue alt geworden ist.

 

Doch der Nachfolgerbau konnte seinen Vorgänger nicht lange ersetzen. Schon 10 Jahre nach der Eröffnung brannte das neue Theater in der Nacht vom 24. zum 25. November 1891 nach einer Aufführung ab. Wenige Monate später konnte ein provisorisches Theater auf dem Cäcilienplatz den Spielbetrieb für die Übergangszeit aufnehmen. Das neue Theater wurde inzwischen im neubarocken Stil wieder aufgebaut und um die große Kuppel und ein Werkstattgebäude erweitert. Im Herbst 1893 wurde es festlich mit Der Kaufmann von Venedig  wiedereröffnet.

Bis heute steht das Theater an dieser Stelle, aber nicht still. Das „Kleine Haus“ ist 1998 als Erweiterungsbau hinzugekommen, ebenso wie zwei Bühnen in der ehemaligen Exerzierhalle am Pferdemarkt. Während einer notwendigen Renovierung des „Großen Hauses“ zur Spielzeit 2010/2011 wurde in der Halle 10 auf dem Fliegerhorst gespielt. 2018 war wegen Sanierungen zum besseren Brandschutz erneut eine Ausweichspielstätte nötig. In einem historischen Zirkuszelt von „Roncalli“ auf einer stadtnahen Brache am Hunteufer wurden zwischen Mai und Juli im sogenannten „Theaterhafen“ vier spektakuläre Theaterproduktionen gezeigt: „Alice im Wunderland: L-S-Dreamland“, „Jesus Christ Superstar“, „Scheherazade erzählt“ und „Die Comedian Harmonists“. Aktuell umfasst das Theater sieben Sparten (Oper, Konzert, Schauspiel, Ballett, Junges Staatstheater, Niederdeutsches Schauspiel und die „Sparte 7“), bespielt vier Bühnen und beschäftigt rund 450 Mitarbeiter:innen.

Text: Ria Glaue