Fliegerhorst
Eine Toilette für die Queen
In der über 100-jährigen Geschichte des riesigen Fliegerhorst-Areals ließen sich viele besondere Ereignisse erzählen. Sei es das 1912 veranstaltete Schaufliegen mit Flughöhen von bis zu 400 Metern, der Besuch einer Internationalen Delegation der Luftwaffe im Jahr 1979 oder die Anti-Golfkrieg Demonstrationen im Jahr 1991 sowie die Unterbringung bosnischer Geflüchteter in den 1990er Jahren.
Ein Ereignis hat in der Geschichte des Fliegerhorstes seinen ganz eigenen Platz hat: eines, das gar nicht stattfand – und gerade deshalb so besonders ist. Wie auch an anderen Orten in Oldenburg, agierte in der Nachkriegszeit hier das britische Militär, nachdem der Fliegerhorst zuvor von den Nationalsozialisten benutzt worden war. Anfang der 1950er Jahre machte sich die Royal Air Force daran, das Gelände so auszubauen, wie wir es heute kennen.
Die Briten verschafften dem Fliegerhorst ein neues Aussehen mit Rollwegen, großen Stellflächen sowie Start- und Landebahn. Außerdem wurde eine 3 Hektar große Fläche befestigt und asphaltiert, da sich im Jahr 1953 die Queen angekündigt hatte. Um der Königin Elisabeth II. einen standesgemäßen Empfang zu bieten, sollte auf dieser Fläche eine Truppenparade abgehalten werden. Und damit nicht genug: Für den Besuch Ihrer Majestät wurde im anliegenden Tower-Gebäude die Außenwand aufgebrochen, um einen neuen Eingang und eine Umkleide samt Toilette zu bauen. Doch die Königin kam nicht, der Besuch wurde kurzfristig abgesagt. Ein Jahr später kam stattdessen ihre Schwester, Prinzessin Margret, um die Truppenparade abzunehmen. Doch auch bei dieser Gelegenheit wurden weder die Räume noch die Toilette vom „royalen“ Besuch benutzt, zum Leidwesen der Truppe. Nachdem der aufwendig hergerichtete Ort Jahrzehnte lang unbenutzt blieb, gab es letztendlich doch eines Tages Verwendung dafür: Der Leiter der zivilen Wetterstelle des Fliegerhorstes erhielt mit der ehemals für den englischen Adel gedachten Toilette sein eigenes stilles Örtchen.
Ende Oktober 1957 übergaben die Briten den Fliegerhorst als „Royal Air Force Station Oldenburg“ an die neue Bundesluftwaffe. Bis in die 1990er Jahre hinein beheimatete der Fliegerhorst viele militärische Einheiten und Geschwader, zeitweise mitsamt der Polizeihubschrauberstaffel Oldenburg in den 1970er Jahren. Das letzte Geschwader, das Jagdbombergeschwader 43, wurde im September 1993 außer Dienst gestellt und der Fliegerhorst im Jahr darauf offiziell entwidmet.
Im Jahr 2006 wurde die Anlage endgültig geschlossen. 2012 wurde schließlich die Umnutzung des Fliegerhorstes durch einen 29,3 Hektar großen Solarpark eingeläutet. Denn ähnlich wie beim Areal der ehemaligen Kaserne in Donnerschwee begann auch hier im Jahr 2014 die Erschließung des ehemals militärischen Geländes als neuer Stadtteil. Der Fliegerhorst wird deshalb als „Konversionsfläche“ bezeichnet, die von der Stadt Oldenburg angekauft werden konnte. Im Rahmen einer Stadtwerkstatt Mitte 2015 wurden Ideen zur Nutzung des Areals gesammelt und ausgewertet, zehn Leitsätze daraus entwickelt und diese schließlich in zwei „Innovationscamps“ zu einer gemeinsamen Konsensvariante ausformuliert. Die Verkäufe der Grundstücke im ersten Teilabschnitt begannen 2019. Die Bauphase für die zukünftig 4 Hektar große „SmartCity Quartier Helleheide“ hat bereits begonnen.
Weitere Informationen unter: Broschüre über den Fliegerhorst Oldenburg.
Text: Claudius Mertins