Gewerbehof Kreyenbrück
16,6 Hektar Neuanfang.
Die sich nach dem Krieg einrichtende Lebens- und Arbeitsform von Vertriebenen und Geflüchteten in der Hindenburg-Kaserne trug viele Namen: Vertriebenen-Stadt, Kasernenhof oder Flüchtlings-Stadt. Offiziell wurde aus dem Kasernenareal die „Städtische Siedlung Kreyenbrück“, die bis in das Jahr 1958 – bevor die Bundeswehr einzog – für viele geflüchtete und vertriebene Menschen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren in Folge der massiven Zerstörung der Städte und aus Gründen von Flucht, Vertreibung oder Umsiedlung tausende Menschen auf der Suche nach einem Ort zum Bleiben. Häufig nur mit wenig Gepäck und der Hoffnung auf einen Neubeginn, kamen auch viele Menschen nach Oldenburg. In Oldenburg waren vergleichsweise wenig Bomben gefallen und Kampfhandlungen weitgehend ausgeblieben. Daher war die fast komplett intakte Stadt ein vielversprechender Ort für Menschen, die alles verloren hatten. Allein in den Jahren 1945 bis 1950 kamen über 42.000 Menschen in die kleine Stadt an der Hunte und mussten untergebracht werden. Dadurch war Oldenburg in der Nachkriegszeit beinahe schlagartig von einer beispiellosen Wohnungsnot betroffen.
Die Kaserne an der Cloppenburger Straße in Kreyenbrück wurde nicht wie beispielsweise die Kaserne Donnerschwee von britischen und kanadischen Truppen bewohnt. Dadurch ergab sich ein riesiger Leerstand, der sich als Unterbringung für die vielen Neuangekommenen in der Stadt anbot.
Durch die vielen verschiedenen Gebäude, die auch Lagerraum und technische Installationen möglich machten, fingen einige der Bewohner:innen an, frühere Geschäftstätigkeiten wieder aufzunehmen oder einen Neustart zu wagen. Im städtischen Sprachgebrauch bekam das wirtschaftliche Treiben innerhalb der Kaserne den Namen „Gewerbehof“, der mit der Zeit über ein Dutzend Firmen hervorbrachte. Unter den Gewerbetreibenden befanden sich verschiedene Gewerke, die das Stadtgebiet und das Umland mit technischen Dienstleistungen und Produkten versorgten. Von Kühlerklempnerei über Holwerkstätten und Schlachtereien bis hin zur Glühlampen und Leuchtmittelfabrikation, bot der Gewerbehof ein breites Spektrum von Hilfsmitteln und Ressourcen. Die Fischnetzfabrik Walter Kremmin, die ebenfalls in einem der Kasernengebäude tätig war, existiert bis heute.
In der „Städtischen Siedlung Kreyenbrück“ waren im Zeitraum bis 1958 480 Familien beheimatetet, die auch das soziale und religiöse Leben kultivierten. Anfang der 1950er Jahre wurde beispielweise neben der Kaserne eine sogenannte Notkirche errichtet. Im Zuge der bundesweiten Lager- und Kasernenräumungsprogramme Mitte der 1950er Jahre und der späteren Einquartierung der neugründeten Bundeswehr mussten die Anwohner:innen und die Betriebe umgesiedelt und im Stadtgebiet verteilt werden. Damit fanden der Gewerbehof und die Siedlung ihr Ende. Für einige der Betriebe und Familien konnte aber in diesen Jahren des Ankommens in Kreyenbrück eine Existenzgrundlage geschaffen werden.
Text: Claudius Mertins