Waffenplatz
Heute leer, früher Militär
Heute erinnert auf dem Waffenplatz wenig an seine frühere Nutzung und seine Bedeutung für Oldenburgs Militärgeschichte. Nur der Name ist geblieben: Im Revolutionsjahr 1848 wurde vom Großherzog Paul Friedrich August eine Bürgerwehr ins Leben gerufen, die der von den Bürgern schon länger geforderten Volksbewaffnung entsprach. Auslöser waren Unruhen und Krawalle nach einer Volksversammlung, gegen die selbst die gerufene Schützenkompanie nichts hatte ausrichten können. Jeder Haushalt erhielt darum am 24. März 1848 eine schriftliche Aufforderung zur Beteiligung. Schon einen Tag später wurden den Freiwilligen ihre Handfeuerwaffen (350 Flinten) ausgehändigt – auf dem Waffenplatz, der so zu seinem Namen kam.
Der Platz trug zu diesem Zeitpunkt noch den Namen „Barackenplatz“. Allerdings waren die namensgebenden Baracken schon 1837 abgerissen worden und die neue Nutzung des Platzes stand noch nicht fest. Gebaut hatte man die Baracken für Soldaten der dänischen Garnison auf der Fläche eines zuvor dicht bebauten Wohnareals zwischen Mottenstraße, Wallstraße und Neuer Straße. Die Wohnungen waren 1676 beim großen Stadtbrand abgebrannt und Kasernen gab es in Oldenburg noch nicht. Wohnraum war so knapp, dass die Oldenburger Bürger:innen bis zum Bau der Baracken verpflichtet waren, ihre Wohnhäuser mit den Soldaten zu teilen. Die neue Unterkunft der Soldaten bestand aus drei langen Holzbaracken, von denen zwei parallel zur jetzigen Wallstraße standen und eine quer dazu an der Mottenstraße.
Mit Aufhebung des Status einer Königsfestung 1764 verlor Oldenburg seine militärische Bedeutung für die Dänen. Die Festungsanlagen und militärische Einrichtungen gingen an die Stadt und die Baracken wurden nun kurzerhand zur Unterbringung für die Armen und Kranken umgenutzt. 23 Wohnungen bzw. Zimmer gab es in den „Armenbaracken“ an der Wallstraße; die „Stadtbaracken“ an der Mottenstraße und an der Neuen Straße fassten insgesamt 41 Wohnungen. Die Stadt erhielt von den Bewohner:innen Miete für die Wohnräume. Die Wohnqualität war offenbar aber sehr schlecht. Das ist aus einem Bericht über den späteren Abbruch im Jahr 1833 bekannt: Zwei bis drei Familien mit jeweils bis zu 10 Personen teilten sich einen feuchten, niedrigen Raum ohne Fußboden und in einem Bett schliefen oft vier bis fünf Personen in Lumpen und ohne Bettwäsche. Krankheit, Dreck und Leid prägten das Bild rund um die Baracken. Der gesamte Stadtteil galt als Armenviertel.
Die Armenbaracke in der Wallstraße beherbergte außerdem das erste sogenannte Stadtkrankenhaus Oldenburgs. Es bestand aus vier Zimmern. Nach einem Journal aus dem Jahr 1831 über die aufgenommenen Erkrankten wurden hier 261 Menschen mit Schwindsucht, Typhus, Influenza und Verletzungen an Füßen und Beinen behandelt. Aber die medizinische Versorgung wies schon aus damaliger Sicht starke Mängel auf. Es fehlte an Medikamenten und die baulichen und hygienischen Verhältnisse waren sehr schlecht. Carl Christian Ludwig Starklof, zu dieser Zeit 1. Kabinettssekretär am Oldenburger Hofe sowie Gründer und Leiter des ersten Oldenburger Theaters, fand deutliche Worte über den Zustand des Krankenhauses: „Ein Krankenhaus gab es in Oldenburg nicht. Was man so nannte, war eine Schmierhöhle.“ Auch in den Oldenburgischen Blättern werden die Baracken als jämmerliche, rauchige und dumpfige Hütten beschrieben. Keiner, den nicht die größte Not zwinge, gehe freiwillig in diese Anstalt.
Erst nach vielen Beschwerden über die Zustände in den Baracken aus Reihen der Stadtgesellschaft und nachdem sich sogar die Landesregierung einschaltete, wurde entschieden, die Baracken abzureißen. Die Bewohner:innen sollten auf die Stadt verteilt und die Kranken zukünftig im geplanten Peter-Friedrich-Ludwig-Hospital versorgt werden.
Mit dem Abriss der Baracken 1837 wurde ein freier Platz geschaffen, der einige Jahre ungestaltet blieb, weil sich die Stadtverwaltung nicht über die zukünftige Nutzung einigen konnte. Der Stadtmagistrat hatte die Idee, den freiwerdenden Platz zu einer Zierde der Stadt umzugestalten. Aber auch Wohnungsbau war im Gespräch. Ein Bebauungsplan von 1838 des Architekten Heinrich Strack, der später auch die Schlosswache entwarf, wurde jedoch nicht umgesetzt. 1848 wurde der Platz in „Waffenplatz“ umbenannt und schließlich setzte sich ein schon lange dringend benötigtes neues Schulgebäude durch. Es wurde 1859 nach Entwürfen von Hero Diedrich Hillers als Stadtknabenschule errichtet und erhielt auch inhaltlich eine neue Ausrichtung als Mittelschule. Geleitet wurde sie von Rektor Wicke, der mit der vormaligen städtischen Elementarschule endlich aus der Haarenstraße ausziehen konnte, wo er bis zu 350 Kinder in zwei Räumen unterrichtete. Das neue Schulhaus wurde noch bis 1968 als Schule, dann von der VHS genutzt. Heute ist das Gebäude eine Eventlocation und außerdem denkmalgeschützt. Es ist ein zweigeschossiger, verputzter Massivbau auf einem Sockelgeschoss unter einem flachen sogenannten Walmdach. Seine langgestreckte Fassade zum Waffenplatz ist durch Zwillings- und Drillingsfenster (in den leicht vorgezogenen sogenannten Seitenrisaliten) gegliedert. Der Eingang ist ein zurückgesetztes Portal mit flachem Bogen.
Der Waffenplatz blieb nach Abriss der Baracken bis heute unbebaut, bekam aber über die Zeit immer wieder ein neues Gesicht. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden hier Wochenmärkte abgehalten und lokale Torfbauern verkauften hier ihre Waren bis der Waffenplatz in den 1960er Jahren mit den großflächigen autofreundlichen Umbauarbeiten in der gesamten Stadt zum Parkplatz mit angegliedertem Parkhaus umgebaut wurde. Aber schon 1992 sollte es mit dem Parkplatz wieder vorbei sein. Der Waffenplatz wurde ein Ort für Veranstaltungen. Ein Highlight dieser Phase dürfte die Gestaltung des Platzes als Citygarten im Jahr 2005 gewesen sein.
Die vorerst letzte große Veränderung wurde mit dem Abriss der leerstehenden „Broweleit-Häuser“ an der Wallstraße eingeläutet, deren Verfall das Bild des Waffenplatzes negativ prägte. Das an ihrer Stelle errichtete „Quartier am Waffenplatz“ mit seinem nachhaltigen und urbanen Konzept wertete den Platz maßgeblich auf. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob die vielen Umgestaltungen des Waffenplatzes nun ein Ende finden.
Text: Ria Glaue