Hempels
Ein queeres Zentrum für Oldenburg!
Von der Teegruppe in das eigene Zentrum
Auffällig weht die Regenbogenflagge an einem ansonsten auf den ersten Blick eher unscheinbaren Gebäude in der Ziegelhofstraße. Für alle sichtbar präsentiert sich so das Haus, das oft einfach als „Hempels“ bezeichnet wird. Der Name geht auf das gemütliche Kneipencafé im Erdgeschoss zurück. Dieses Gebäude beherbergt das queere Kommunikationszentrum des „Na Und – Queeres Leben in Oldenburg e. V.“. Seit 40 Jahren gestaltet der Verein die Stadtgeschichte Oldenburgs mit.
Der „Na Und e. V.“ wurde am 17. Mai 1985 in Oldenburg gegründet. Genauer gesagt entwickelte er sich aus der lesbisch-schwulen „Lambda-Teegruppe“ heraus. Die Kernaufgaben des Vereins standen dabei von Anfang an fest. Neben der Hilfe für homosexuelle Menschen, etwa bei der Bewältigung von Diskriminierungserfahrungen im Alltag, war und ist auch die Informationsarbeit in der breiten Öffentlichkeit zentraler Bestandteil. Nur dadurch können Berührungsängste und Vorurteile abgebaut werden. Eine Besonderheit war die dritte große Zielsetzung des noch jungen Vereins. Ein Beratungszentrum sollte eingerichtet werden. Ein fester Treffpunkt für alle Menschen, die danach suchen.
Es vergingen allerdings beinahe zehn Jahre, bis man das passende Gebäude ausfindig gemacht hat. Bis dahin war der Verein natürlich nicht untätig. Informations- und Öffentlichkeitsarbeit gehörten zum Tagesgeschäft. Ebenso Veranstaltungen, die den Verein finanziell erhalten, wie die Rosa Disco. Im Sommer 1993 hatte man nun endlich ein Haus in der Ziegelhofstraße 83 ausfindig gemacht, das sich ideal für ein Kommunikationszentrum eignet.
Die Geschichte des Hauses begann etwas früher als die des Vereins, der heute darin residiert. Laut Oldenburger Häuserbuch war das Gebäude 1894 Eigentum des Kaufmannes Johann Georg Carl Pestrup, beziehungsweise seiner Ehefrau Meta Margarethe geb. Tantzen. Drei Jahre später wurde es von Johann Hinrich Gerhard Stindt, seines Zeichens Schlachter, gekauft. In den 1920er Jahren ging die Immobilie in das Eigentum von Johann Ernst Wilhelm Dammann, ebenfalls Schlachter, über. Bis in die 1970er Jahre wurde das Haus von Angehörigen der Familie Dammann genutzt. So wurde etwa eine Fleischerei an dem Standort betrieben.
Später nutzten andere Eigentümer:innen das Haus als Kiosk, ehe der „Na Und e. V.“ das Haus 1993 für sich entdeckte. Da das Gebäude zum Verkauf stand, ergab sich hiermit eine große Chance, das Ziel eines eigenen Zentrums in die Tat umzusetzen. Die Mitglieder des Vereins renovierten das Haus und gestalteten es nach ihren Wünschen um, alles in ihrer Freizeit. Ausgestattet mit Büro- und Veranstaltungsräumen sowie mit dem Kneipencafé „Hempels“, dessen Name oft als Synonym für das Zentrum selbst steht, wurde es am 11. Juni 1994 eröffnet. Seit 2003 befindet sich das Gebäude im Eigentum der Michael-Sartorius-Stiftung, die vom „Na Und e. V.“ zu diesem Zwecke gegründet wurde.
Ein Treffpunkt für alle
Ein Mitglied des „Na Und e. V.“ erzählt von der Bedeutung des Zentrums: „Als ich vor über zehn Jahren das erste Mal im queeren Zentrum (damals noch Lesben- und Schwulenzentrum) war, da ich mich für eines der Angebote interessierte, ahnte ich noch nicht, dass dieser Ort der Grundstein für mein bis heute andauerndes ehrenamtliches Engagement in Oldenburg, aber auch auf Landes- und Bundesebene werden würde. Die Erfahrungen, die ich dort gesammelt habe, haben sogar Auswirkungen auf meine berufliche Laufbahn gehabt. Die Strukturen vor Ort haben mir die Möglichkeit gegeben, mich auszuprobieren, dazu zu lernen, mich weiterzuentwickeln, großartigen Menschen zu begegnen und Freundschaften zu schließen.
Was viele mit dem Haus verbinden, ist ein Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit. Von einem zu Beginn Lesben- und Schwulenzentrum hat sich der Ort über viele Jahre zu einem queeren Zentrum entwickelt, das inzwischen rund 20 Angebote zu verschiedensten Themen bietet. Das Zentrum bietet einen Raum, in dem die Besucher:innen und Gruppenteilnehmer:innen die Möglichkeit haben, sich zu entfalten und Teil einer Gemeinschaft zu sein, sich zu begegnen, auszutauschen und von- und miteinander zu lernen.
Diese Bedeutung macht das Zentrum nicht nur zu einem wichtigen Treffpunkt, sondern auch zu einem unverzichtbaren Teil der Stadtgeschichte. Das Zentrum ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie ein Ort durch die Menschen, die ihn nutzen, zu einem Symbol für Gemeinschaft und Zusammenhalt werden kann.“
Vielseitiges Engagement
Untrennbar mit dem „Na Und e. V.“ verbunden sind die frühen Tage des Christopher Street Days in Oldenburg. Bevor der „CSD Nordwest e. V.“ die Organisation der Demonstration 1997 übernommen hat, lag die Verantwortung dafür nämlich bei den Mitgliedern des „Na Und e. V.“. 1995 fand erstmalig ein CSD in Oldenburg statt.
Das queere Zentrum stellt einen Treffpunkt für die unterschiedlichsten Gruppen dar. Gleichzeitig spiegeln sich seine Aktivitäten in Oldenburgs Kulturlandschaft wider. Dazu gehören etwa seit Langem etablierte Instanzen wie die Rosa Disco. Die Veranstaltung ist nicht nur seit über 35 Jahren fester Bestandteil der Partylandschaft Oldenburgs. Ein Großteil der finanziellen Mittel des „Na Und e. V.“ entstammen den Einnahmen der Disco.
Auch die Zeitschrift „Rosige Zeiten“ ist eng mit dem „Na Und e. V.“ und dem „Hempels“ verbunden. Das „regionale Magazin aus Oldenburg für Lesben und Schwule“ hat diese Bezeichnung bis zu seiner letzten Ausgabe Ende 2024 getragen, um an seine Ursprünge zu erinnern. 1989 erschien die Vernetzung mit gleichgesinnten Gemütern – gerade im ländlichen Raum – ungemein schwer. Daher wurde die „Rosige Zeiten“ (oder kurz: RoZ) für 35 Jahre zu einer wertvollen Informationsquelle für Schwule und Lesben im gesamten Nordwesten. Später umfasste das Magazin freilich Beiträge für die gesamte queere Community. 201 Ausgaben – alle ehrenamtlich erstellt – sind insgesamt erschienen.
Antidiskriminierungs- und Jugendarbeit sind ebenfalls fest verankert im Wirken des „Na Und e. V.“. Ein Beispiel dafür ist die SchLAu-Gruppe für Oldenburg. In Workshops an Schulen informieren sie über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, beantworten die Fragen von Schüler:innen, erzählen von ihren eigenen Lebenswegen und leisten so Bildungsarbeit.
Das queere Zentrum mit dem „Hempels“ hat über die Jahre eine große Vielfalt an Menschen unter seinem Dach beherbergt. Ebenso haben sich über die Jahre viele Geschichten angesammelt. 2020 machte die Corona-Pandemie große Feierlichkeiten zum 35-jährigen Bestehen des „Na Und e. V.“ unmöglich. 2025 wird der Verein 40 Jahre alt. Und das wird hoffentlich gebührend gefeiert.
Text: Paula Jakob