Bernhard Winter

Am 27. Mai 2024 entzog der Rat der Stadt Oldenburg Bernhard Winter die Ehrenbürgerschaft der Stadt Oldenburg. Wenngleich dieser Vorgang eher einen symbolischen Charakter besitzt, da die Ehrenbürgerschaft formal betrachtet mit dem Tod der betreffenden Person endet, ist dieser im Hinblick auf die Erinnerungskultur ein wichtiger.

Folgende Beschreibung des Ehrenbürgerrechts ist auf den Seiten der Stadt Oldenburg zu lesen:

„Das Ehrenbürgerrecht ist die höchste Auszeichnung einer Stadt an ihre Bürgerinnen und Bürger oder ehemaligen Bürgerinnen und Bürger. Es zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich in herausragender Weise um das Wohl oder das Ansehen ihres Ortes verdient gemacht haben. Hierbei kann es sich um Leistungen ideeller, kultureller, sozialer oder finanzieller Art handeln. […] Wegen unwürdigen Verhaltens kann das Ehrenbürgerrecht auch wieder entzogen werden. Um den Wert dieser besonderen Auszeichnung zu erhalten, wird bei der Verleihung des Ehrenbürgerrechts ein hoher Maßstab angelegt. […]“

Eine Ehrenbürgerschaft als höchste Auszeichnung der Stadt Oldenburg bedeutet eine Würdigung, welcher in hohem Maße eine moralisch-ethische Komponente innewohnt. Die Personen, welche diese Würdigung erhalten, bekommen hierdurch eine herausgehobene Vorbildfunktion für die Stadtgesellschaft und können in dieser Hinsicht eine Identifikation vieler Menschen mit der Stadt erzeugen. Aufgrund der kleinen Anzahl der Ehrenbürger:innen ist der Anspruch an die Auszeichnung besonders hoch.

Da sich gesellschaftliche Maßstäbe und Wahrnehmungen im Laufe der Zeit verändern, ist eine wiederkehrende Überprüfung vergangener Einschätzungen bei Auszeichnungen dieser Art sinnvoll und empfehlenswert. Nur so kann sichergestellt werden, dass Auszeichnungen und Ehrungen aktuellen Bewertungen standhalten und tatsächlicher Ausdruck kollektiver Erinnerungskultur sind. Bernhard Winter tat dies, bezogen auf die Ehrenbürgerwürde, nicht mehr.

Warum gibt es aber noch eine Bernhard-Winter-Straße? Für Straßennamen sind im Prinzip vergleichbare Motive bei einer Benennung anzunehmen. Wenn sich im Laufe der Zeit Bewertungsmaßstäbe bei den geehrten Personen ändern, gibt es hier jedoch wichtige Unterschiede, wenn eine Person moral-ethisch keinen Vorbildcharakter aus heutiger Sicht besitzt (oder möglicherweise sogar gegenteilig zu bewerten ist), kann sie aufgrund von herausragenden Leistungen oder Handlungen jedoch trotzdem erinnerungswürdig sein. In dieser Hinsicht können Straßenbezeichnungen im Alltag, wenn sie kontextualisiert werden, auch vielschichtiger Erinnerungen vermitteln.  

Im Falle von Bernhard Winter soll eine Tafel in der Bernhard-Winter-Straße aufgestellt werden, die zukünftig über sein Leben und seine Rolle für Oldenburg vertiefende Informationen liefert und einen Zugang zur eigenen Bewertung des Sachverhaltes ermöglicht.

Repräsentant einer Heimat

Bernhard Winter wurde am 14. März 1871 in Neuenbrok, Gemeinde Mooriem, geboren. Schon als Schüler – er besuchte die Oberrealschule in Oldenburg – trat seine große zeichnerische Begabung zutage. So zog es ihn nach dem Abitur auf die Maler-Akademie Dresden. Nach seinem vierjährigen Studium kehrte Winter nach Oldenburg zurück. Der Oldenburger Maler bevorzugte Motive aus dem bäuerlichen Leben und schuf zahlreiche Porträts des Oldenburger Bürgertums. Im Zuge seines mehr als sieben Jahrzehnte andauernden künstlerischen Wirkens entstanden überaus zahlreiche Werke in unterschiedlichen Kontexten. Seine Arbeiten befinden sich sowohl in Sammlungen von Oldenburger Museen als auch in Privatbesitz. Er lebte zuletzt in der Oldenburger Dobbenstraße. Am 6. August 1964 starb er in Oldenburg.

Bernhard Winter hat mit dem Genre und den Motiven seiner Kunst sowohl im Kaiserreich und dem Oldenburger Großherzogtum, als auch in der Weimarer Republik, dem NS-Staat und später in der Bundesrepublik Zuspruch gefunden und höchste Auszeichnungen erhalten. Dies weist auf eine Konstante der Ideologie Heimat in der bürgerlichen Gesellschaft hin, welche vor allem auch im Oldenburgischen mit Winters künstlerischen Interpretationen weitgehend übereinstimmte. Der Künstler Winter war aus dem 19. Jahrhundert heraus von agrarromantischen Vorstellungen geprägt, welche mit den Begriffen Heimatschutz, Heimatliebe oder Heimatbewusstsein in Anbetracht einer sich stark verändernden Gesellschaft einen Rückzug auf vermeintlich einfachere Verhältnisse propagierten.

Als Protagonist der Heimatbewegung in Oldenburg begann er bereits in den 1920er Jahren seine zuvor eher aufs Ammerland und die Wesermarsch bezogene Kunst dem Erhalt einer deutschen Volksgemeinschaft zu widmen, dem die Ablehnung „fremder“ Einflüsse innewohnte. Diese Ausrichtung schlug sich in seiner Arbeit nieder, welche sich zwischen 1933 und 1945 ausgeprägt völkisch im nationalsozialistischen Sinne darstellte. Bernhard Winter wurde aufgrund seiner hervorgehobenen Position im Bereich der Kunst daher zu einem Verstärker nationalsozialistischer Ideologie im Oldenburger Land.

Ob nach 1945 bei dem zu diesem Zeitpunkt bereits 74jährigen Bernhard Winter eine Reflexion seiner eigenen Rolle und die der Heimatbewegung insgesamt erfolgt ist, kann nicht belegt werden. Auch forderte dies keine kritische Öffentlichkeit, im Gegenteil. Dem künstlerischen Protagonisten eines Oldenburger Heimatgefühls wurden auf regionaler und nationaler Ebene Ehrungen seines Lebenswerkes zuteil. Bernhard Winter als Repräsentant der Heimat in Oldenburg ist der Repräsentant eines belasteten Verhältnisses.

1896 – 1901 Goldene Medaillen auf Kunstausstellungen in München, Berlin, Dresden und Oldenburg

1903: Ernennung zum Professor

1941: Goethe-Medaille Kunst und Wissenschaft

1943: Gaukulturpreis

1956: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse

1961: Ehrenbürger Stadt Oldenburg

 

Text: Dr. Steffen Wiegmann