Kino im Ziegelhof

Von Licht und Schatten

 

Am 4. November 1949 eröffnete Karl Born in der ehemaligen Gaststätte „Ziegelhof“ ein Veranstaltungszentrum für Film- und Theateraufführungen sowie Konzerte mit 878 Sitzplätzen. Der ehemalige Seekommandant Born, der während seiner Zeit in der Wehrmacht den ersten Seenotflugdienst der Welt aufbaute, taufte das neue Spielhaus „Ziegelhof-Lichtspiele“. In den folgenden Jahrzehnten weitete Born seine Geschäftigkeit Kinobetreiber in das Oldenburger Stadtgebiet aus und prägte die lokale Kinolandschaft nachhaltig – und bot umstrittenen Personen eine Bühne.

Die Ziegelhof-Lichtspiele, das heißt das Gebäude und das Areal weisen eine lange Geschichte auf. Zunächst Ziegelproduktion, später Schützenhof und danach Kino. Das üppige Gebäude mit großem Festsaal, dass im Verlauf des Zweiten Weltkriegs durch Bombeneinschläge stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, waren in einem sehr schlechten Zustand. Jedoch gelang es Karl Born aus den Trümmern etwas Großes zu erschaffen.

Von 1951 bis 1954 wurden auf der Freilichtbühne des Ziegelhofs in der warmen Jahreszeit Theaterveranstaltungen sowie Konzerte abgehalten. Die Tribüne des Freilichtkinos Ziegelhof bot Platz für etwa 900 Gäste.  Ab 1956 wurden im Saal des Kinos bereits die ersten CinemaScope-Filme gezeigt, die durch den neuen Projektor und der entsprechenden Multi-Channel-Tonausgabe einen räumlichen Klang erhielten. Vom Prinzip her war diese Anlage ein Vorläufer der heute bekannten „Dolby Stereo“ Soundsysteme.

Born wollte einen besonderen Fokus auf anspruchsvolles Kino legen, was sich 1956 auch im Namen des Kinos niederschlug. Die Ziegelhof Lichtspiele erhielten die Ergänzung „studio für filmkunst“. Anschließend richtete Born mit dem studio Z sogar einen zweiten Kinosaal mit 198 Plätzen ein, der ausschließlich anspruchsvolle Film zeigen sollte. Nach dieser Erweiterung war in Oldenburg im Jahr 1957 die Höchstzahl von 14 Lichtspiel-Häusern erreicht aus der die Bevölkerung wählen konnte.

Karl Born expandierte danach weiter. In der Hermannstraße 83 übernahm der umtriebige Kinoinhaber die „Alhambra Lichtspiele“, die er 1961 in „Unser Kino“ umbenannte. Dort wurden bis ins Jahr 1966 in erster Linie Actionfilme gezeigt. Ebenfalls im Jahr 1961 übernahm Born die „Park Lichtspiele“, wo er abgelaufene Filme aus dem Ziegelhof bis etwa Mitte der 1970er Jahre nachspielte. Im Jahr 1969 pachtete Born die etwas schwächelnden „Lindenhof-Lichtspiele“, benannte sie in „Capitol im Lindenhof“ um und reduzierte die Sitzplatzanzahl.

Born war nun der größte Oldenburger Kinounternehmer, da er durch die zahlreichen bespielten Häuser insgesamt 1.946 Plätze für seine Kinoprogramme anbieten konnte. Selbst auf Norderney betrieb Born in der 1960er Jahren das „Filmstudio im Kurtheater Norderney“, das ähnlich wie das studio Z vermutlich anspruchsvolleres Filmmaterial zeigte. 1978 schloss Born das Capitol im Lindenhof und begab sich mit 67 Jahren in den Ruhestand. Born hatte zeitlebens die Kinolandschaft in Oldenburg mitgeprägt und war Gründungs- sowie Vorstandsmitglied der Gilde deutscher Filmkunsttheater. Born zählt außerdem zu den Mitbegründern der Arbeitsgemeinschaft Kino, erhielt 1981 das Filmband in Gold sowie den Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises.

Jedoch fanden unter Borns Leitung auch Veranstaltungen statt, die aus heutiger Sicht kritisch zu betrachten sind. Im Jahr 1954 sprach dort der ehemalige General und Befehlshaber der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Ostafrika Lettow-Vorbeck bei einer „Kulturfilmveranstaltung“. Am 21. Februar wurde dort der Film „Der dunkle Erdteil erwacht“ gezeigt, bei dem der ehemalige General einleitende Worte sprach. In Bremen hatte Lettow-Vorbeck 1932 das mittlerweile als Antikolonialdenkmal bekannte Reichskolonialehrendenkmal eingeweiht, dessen Bau er zuvor unterstützt hatte.

Und auch die berühmte Pianistin Elly Ney, die in Bonn bis ins Jahr 1952 wegen ihrer Begeisterung für die NS-Ideologie mit einem Auftrittsverbot belegt worden war, trat ab dem Jahr 1948 mehrfach im Ziegelhof auf. Ney war 1937 von Adolf Hitler zur Professorin ernannt worden und unterrichtete bis 1945 am Salz­bur­ger Mo­zar­te­um. Die Beethoven-Expertin gab nach dem Krieg zahlreiche Konzerte u.a. im Durch­gangs­la­ger Fried­land für Kriegs­ge­fan­ge­ne und Ost­ver­trie­be­ne sowie für das Na­tio­na­le Olym­pi­sche Ko­mi­tee für Deutsch­land.

Text: Claudius Mertins