Ein Denkmal für "Heini"?

Heinrich Heeren war bis 1957 Fährmann am Stadthafen. Viele Oldenburger:innen kennen ihn als "Heini vom Stau". Im August und September 2024 fragte das Stadtmuseum Oldenburg die Einwohner:innen der Stadt: In welcher Form soll am Hafen an ihn erinnert werden? Mehr zur Geschichte des Fährbetriebs und zu den Ergebnissen der Umfrage erfahren Sie hier. 

 

Wie ist man zu Fuß am schnellsten am Bahnhof, wenn man aus Richtung Osternburg kommt? Mitte des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Antwort für viele gelautet: mit der kleinen Fähre im Stadthafen. Aber warum für die paar Meter, die man ums Hafenbecken herumlaufen kann, eine Fähre benutzen? Die bauliche Situation der damaligen Zeit ist eine andere gewesen als heute. Das Hafenbecken ragte noch sehr viel weiter in die Stadt hinein, bis an den Bereich Ritterstraße/Staustraße heran. Erst in den 1930er und dann in einem zweiten Abschnitt in den 1960er Jahren wurde das alte Hafenbecken zurückgebaut und der erweiterte Stautorplatz entstand.

Die Personenfähre am Hafen

2023 wurde von einer Bürgerin die Initiative gestartet, einen Erinnerungsort für den letzten Fährmann vom Hafen zu schaffen. Eine erste Idee war es, das Häuschen zu rekonstruieren, das Fährmann Heinrich Heeren – „Heini vom Stau“ genannt – zum Aufwärmen nutzte. Dieser Vorschlag ist allerdings nicht umsetzbar, da an historischer Stelle ein Wiederaufbau nicht möglich ist. Außerdem kann ein solcher Ort schnell Opfer von Vandalismus werden. Grundsätzlich wird ein Erinnerungsort von Seiten der Stadtverwaltung begrüßt. Eine Auseinandersetzung mit Stadtgeschichte an unterschiedlichsten Orten und auf verschiedene Weisen kann eine Stadtgesellschaft im Heute und für die Zukunft stärken.

Die bis heute weitergetragene Erinnerung an den kleinen Fährbetrieb schaut auf die Zeit zurück, als der Stadthafen noch Dreh- und Angelpunkt für Warenumschlag gewesen ist. Der Hafen hat sein Gesicht in den letzten 40 Jahren stark verändert. Wo früher Waren auf Schiffe verladen wurden, Getreide und anderes in großen Hallen lagerte, Hafenkräne und Eisenbahnwaggons entlang des Kais fuhren, da laden heute Promenade und Gastronomie die Menschen dazu ein, ihre freie Zeit rund ums Hafenbecken zu verbringen. Ein großer Teil des Alten Stadthafens ist inzwischen außerdem mit Wohnhäusern bebaut.

Oldenburger:innen befragt

Das Stadtmuseum Oldenburg hatte dazu aufgerufen, sich an einer Umfrage zu einem möglichen Erinnerungsort für den letzten Fährmann vom Hafen zu beteiligen. Die Umfrage hatte zum Ziel, Gedanken und Vorschläge der Bürger:innen zu diesem Thema zu sammeln und ihren Vorstellungen zur Gestaltung von Erinnerungsorten Gehör zu verschaffen. An der Online-Umfrage haben sich 135 Personen beteiligt. Bis auf fünf Gegenstimmen haben sich alle für einen Erinnerungsort ausgesprochen. Es wurden insgesamt vier Ideen für die Ausgestaltung formuliert. Fast die Hälfte der Teilnehmenden sprach sich für ein künstlerisches Denkmal aus, sei es ein Abbild von „Heini“ oder eher symbolisch beispielsweise eine Skulptur seines Bootes. Der Idee der Initiatorin für den Erinnerungsort, das ehemalige Fährhäuschen zu rekonstruieren, schloss sich ebenfalls eine größere Gruppe an. Genauso viele Menschen sprachen sich für eine schlichtere Gestaltung mit einer Informationstafel aus. Und einige wünschten sich die Wiederbelebung des Fährbetriebs.

Die Ergebnisse der Umfrage wurden am 17. September 2024 dem Kulturausschuss vorgestellt. Der Ausschuss hat sich einer Umsetzung positiv gegenüber geäußert. Im weiteren Verlauf wird vom Kulturausschuss unter Berücksichtigung der Umfrageergebnisse die Entscheidung getroffen, was für ein Erinnerungsort geschaffen werden kann und soll. Mit einem Gedenkort für den letzten Fährmann vom Hafen wird in Oldenburg zum erstem Mal einer Einzelperson gedacht, die zu Lebzeiten keine höhere Stellung innehatte oder politisch bis aktivistisch tätig war. Bisher waren es Namen wie Graf Anton Günther, Peter Friedrich Ludwig oder Theodor Görlitz, die beim Thema Denkmal und Erinnerungsort präsent sind. Heinrich Heeren, der ehemalige Hafenarbeiter und Bürger der Stadt, hat sich dagegen durch seine präsente, zugewandte Persönlichkeit in das Gedächtnis vieler Oldenburger:innen eingeprägt.   

Mehr zur Geschichte des Fährbetriebs

Dass ein Fährbetrieb rentabel sein könnte, wurde als Idee zum ersten Mal in der Tageszeitung formuliert. Die Nachrichten für Stadt und Land berichteten am 14. August 1867, dass mit der einen Monat zurückliegenden Eröffnung der ersten Eisenbahnlinie von Oldenburg nach Bremen eine schnelle Anbindung an den Bahnhof von Gemeinden in Randlage fehle. Das betraf auch Osternburg. Es wurde über eine Brücke von der einen Hunte-Seite zur anderen diskutiert, die Idee aber als zu kostspielig verworfen. Die Zeitung schlug vor, jemand solle sich mit einem kleinen Boot als Fährmann selbstständig machen.

Dieser Aufruf blieb nicht ungehört. Bereits einige Tag später konnte die Zeitung berichten, dass der „Badewärter Klockgether“ einen provisorischen Fährbetrieb eingerichtet hatte. Für einen halben Groschen konnten die Menschen nun von der einen Hunte-Seite zur anderen übersetzen. Die Nutzung war allerdings noch nicht optimal, das Boot offenbar ungeeignet und es musste von den Fahrgästen „wuchernde Vegetation“ überwunden werden auf dem Weg zur Fähre. Nach diesen Startschwierigkeiten etablierte sich der Fährbetrieb auf Höhe Friederikenstraße/Rosenstraße (beim heutigen Hafenkran-Denkmal). Viele Menschen, die in Osternburg lebten, nutzten die Fähre teilweise täglich, um beispielsweise den Arbeitsweg zu verkürzen.

Seit den 1860er Jahren bestand also ein Fährbetrieb an dieser Stelle. In die kollektive Erinnerung eingegangen ist der letzte Fährmann, der von 1928 bis 1957 die kleine Fähre über die Hunte steuerte. Täglich zwischen 7 und 19 Uhr brachte Heinrich Heeren, genannt „Heini vom Stau“ seine Fahrgäste von einer Uferseite zur anderen. Zwischen 50 und 100 Fahrten kamen am Tag zusammen. Wenn nicht viel los war, zeichnete und malte Heinrich Heeren seine Arbeitsumgebung. Die Zeichnungen verschenkte er oft. Seine Motive waren Boote, das Hafenbecken und die Häusersilhouetten rund um seine Fähre. Ein häufig von ihm wiederholtes Motiv war das kleine Häuschen am Ufer der Huntestraße, in dem er sich im Winter oder bei Regen aufhalten konnte. Wenn dann von der gegenüberliegenden Seite ein „Hol över!“ oder einfach nur ein „Hallo!“ kam, setzte Heinrich Heeren das Boot wieder in Bewegung. Als Heinrich Heeren mit weit über 70 Jahren den Betrieb aufgab, wurde keine Nachfolge gefunden. Die Nachfrage nach der Überfahrt war schon in den letzten Jahren von Heerens Tätigkeit immer geringer geworden.

Text: Franziska Boegehold-Gude