Ringlokschuppen
Lok down
Die Geschichte der Eisenbahn in Oldenburg beginnt mit der Gründung der „Großherzoglich Oldenburgischen Staatseisenbahn“ (G.O.E) und der Eröffnung der Bahnlinie Oldenburg-Bremen am 15. Juli 1867. Binnen kürzester Zeit war Oldenburg mit der „weiten Welt“ verbunden und konnte endlich eine wichtige Modernisierungslücke in seiner industriellen Entwicklung schließen, um buchstäblich den Anschluss nicht zu verlieren. Am Anfang waren nur sieben Lokomotiven im Dienst, die extra für Oldenburger Verhältnisse mit heimischem Torf beheizt wurden. Mit dem langsam aber stetig zunehmenden Streckenausbau im Oldenburger Land waren bis 1877 jedoch schon über 62 Lokomotiven und über 1.000 Personen- und Güterwagen im Einsatz. Die Stadt Oldenburg wuchs zu einem Zentrum der Bahn heran. Mit dem betrieblichen Ausbau stieg auch der Bedarf nach geeigneten Werkstatthallen, um die wachsende Bahnflotte fachgemäß instand halten zu können.
Die sogenannten Maschinenhäuser, in denen die Lokomotiven bisher fahrbereit gemacht wurden, standen in der Bahnhofstraße, südlich des 1879 errichteten Bahnhofs. Die nördliche Fläche war noch unbebaut. Hier wurden ab 1890 die Hauptwerkstätten errichtet, erst das Ausbesserungswerk, dann das Bahnbetriebswerk und weitere Dienststellen der Bahn. Im Ausbesserungswerk wurden größere Reparaturen und Hauptuntersuchungen durchgeführt und Teile ausgetauscht. Im Bahnbetriebswerk wurden die Lokomotiven regelmäßig gewartet und bereitgestellt.
In den verschiedenen Dienststellen der Bahn wurde nicht nur kräftigt getüftelt, sie wurden auch zu zentralen Ausbildungsstätten für technische Berufe. Eine solche Ausbildungsmöglichkeit gab es zu der Zeit nur in Berlin und München. Im Jahr 1891 begann der erste Lehrling der Reichsbahn-Telegrafen-Werkstatt. Weil hier auch viele technische Erneuerungen getestet wurden, nannte man sie auch die „Bastelbude der Bahn“.
Der Ringlokschuppen wurde 1895 erbaut und war Teil des Bahnbetriebswerks. Hier wurden die Lokomotiven gewartet und repariert. Obwohl die Bezeichnung „Ring“ bei einigen möglicherweise den Gedanken an einen Kreis auslöst, handelt es sich dabei jedoch von Anfang an um ein halbkreisförmiges Gebäude. Vor diesem befand sich eine Drehscheibe, auf der jede einzelne ankommende Lokomotive zunächst positioniert wurde. Durch die Drehung der Scheibe konnte die Lokomotive in eine der 18 Toreinfahrten des Ringlokschuppens gefahren werden. In der Zeitung „Nachrichten für Stadt und Land“ heißt es am 12. April 1898: „Neben dem vor kurzem fertiggestellten bogenförmigen Lokomotivschuppen wird augenblicklich auf hiesigem Bahnhofe ein neuer Schuppen errichtet, der nur für die Güterzugsmaschinen bestimmt sein soll, während ersterer zur Unterbringung der Personenzuglokomotiven dient“. Der neu gebaute Rechteckschuppen entstand somit als Nachbarhalle des Ringlokschuppens. Er wurde 2009 abgerissen. Beide Schuppen des Bahnbetriebswerkes waren bis 1995 in Betrieb. Das Ausbesserungswerk musste bereits 1983 schließen.
Obwohl das Oldenburger Bahnbetriebswerk gerade in den 1970er Jahren seine Blütezeit erlebte, wurde bereits wenige Jahre später das Ende eingeläutet. Die Dampflokomotive wurde durch die Diesellok ersetzt und die Werke wurden nicht mehr ausreichend modernisiert, um mit dieser technischen Entwicklung im Bahnverkehr mitzuhalten. Der Wegfall der Bahn als Arbeitgeber in Oldenburg bedeute das Ende einer Ära. Als großes Unternehmen hatte die Bahn in der Stadt zahlreiche Arbeitsplätze in unterschiedlichen Berufsfeldern generiert, viele Fachkräfte ausgebildet und enorm zur wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen.
Trotz Schließung war klar, dass der Ringlokschuppen unbedingt weiter genutzt werden sollte. Da er aufgrund seiner interessanten Form und Bauweise eine sehr gute Akustik aufwies, gab es schnell die Idee, dass er, ähnlich wie viele andere ausrangierte Ringlokschuppen in Deutschland, als Konzerthalle dienen könnte. Tatsächlich war er zeitweise für die Kulturetage als Veranstaltungsort im Dienst. Es gab Theateraufführungen mit besonderem Industrie-Flair und auch an die Einrichtung einer Großraumdiskothek wurde im Jahr 2001 gedacht. Immer wieder gab es Pläne, die Fläche kulturell und gastronomisch wieder zum Leben zu erwecken. Im Internet ist das Gebäude sogar nach wie vor als „Eisenbahnmuseum“ gelistet, was ebenfalls an die musealen Pläne und Erhaltungsabsichten der Oldenburger:innen erinnert.
Seit der letzten Sondernutzung im Jahr 2018, bei der eine Rock Band im Ringlokschuppen ihr Musikvideo drehte, konnte niemand mehr dieses besondere Ambiente erleben. Da der Ringlokschuppen nie unter Denkmalschutz gestellt wurde, war er zu diesem Zeitpunkt bereits stark verfallen und entsprach damit der gewünschten Atmosphäre der Musikgruppe. Auch wenn vergessene Bahnanlagen als Ruinen sicher etwas Faszinierendes an sich haben und viele Menschen magisch anziehen, besteht beim Ringlokschuppen aktuell akute Einsturzgefahr. Das Betreten des Geländes ist streng verboten.
Im Jahr 2020 wurde ein Teil des Schuppens abgerissen, um einen Fußweg vom Pferdemarkt zum Bahnhof bauen zu können. Dieser Plan wurde jedoch bisher nicht umgesetzt. Für viele „Bahner:innen“ und Bahn-Interessierte war und ist dieser Teilabriss allerdings sehr bedauerlich.
Seit 2009 ist der EWE-Konzern der Eigentümer des ehemaligen Bahn-Areals, welches nicht nur sehr groß ist, sondern auch sehr zentral liegt. Die weiterführende Stadtplanung in diesem Bereich ist daher ein Mammutprojekt, das viele Planungsschritte beinhaltet und eine große Investition für den Konzern darstellt. Derzeit ruhen diese Überlegungen allerdings aufgrund anderer Projekte der EWE und der aktuell steigenden Baukosten.
Eine Sache steht jedoch fest: Der Ringlokschuppen ist ein Denkmal in den Herzen vieler Oldenburger:innen. Die Stadt Oldenburg plädiert dafür, ihn unbedingt in allen Zukunftsplänen mitzudenken, auch wenn seine Rettung wegen immenser Sanierungskosten vermutlich nicht mehr möglich ist. Im Jahr 2014 gab es hierzu bereits ein Ideenwettbewerb, aus dem damals das Architekturbüro „KAW“ aus den Niederlanden in Zusammenarbeit mit „NSP Landschaftsarchitekten“ aus Hannover als Gewinner hervorgingen. Den Erhalt des Ringlokschuppens gingen sie in ihrem Entwurf eher symbolhaft an, in dem sie nur die Bauform als Relief erhielten.
Trotz fehlendem Status als offiziell denkmalgeschütztes Objekt und seines aktuell desolaten Zustandes ist der Oldenburger Ringlokschuppen als Überbleibsel der Bahn- und Industriegeschichte ein bedeutender historischer Ort. Die städtebauliche Debatte, die um den Erhalt oder den Abriss des Schuppens geführt wird, lässt seine Zukunft ungewiss erscheinen.
Der Ringlokschuppen verkörpert den zeitlichen Verfall wie kaum ein anderes Gebäude in Oldenburg und wirkt heute wie ein vergessener Ort. Dies liegt auch daran, dass sein Standort hinter dem ehemaligen Eisenbahndirektionsgebäude am Pferdemarkt seit der Bahnhochlegung noch versteckter liegt. Lediglich den vorbeifahrenden Zugpassagieren, die nach Westen unterwegs sind, ruft sich der Ringlokschuppen in Erinnerung.
Text: Lemya Demirkapi