Tabakfabrik Schrimper

Starker Tobak

 

1790 gründete der Kaufmann Johann Gerhard Schrimper die erste und nach ihm benannte Tabakfabrik Oldenburgs – J.G. Schrimper. Damit entstand in der Stadt, die im 19. Jahrhundert noch immer von Beamten, wohlhabenden Pensionären und dem Hofstaat geprägt war, erstmalig Industrie.

Tabak war zu dieser Zeit ein beliebtes Rausch- und Rauchmittel, das sich aufgrund seines süßen Geschmacks und seiner appetitzügelnden Wirkung seit dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) in Deutschland verbreitete. Ob vom Soldaten bis hin zu den Eliten wurde es durch alle Schichten konsumiert und schließlich zur Mode. Die erste Tabakfabrik Deutschlands entstand 1788 durch den Kaufmann Heinrich Schlottmann in Hamburg mit der Produktion von Zigarren, kurz darauf gefolgt von Bremen und Oldenburg.

Die Tabakfabrik (J.G.) Schrimper befand sich zunächst in einem Haus in der Innenstadt an der Achternstraße 9. Dort wurden u.a. Schnupftabak und Zigarren gefertigt, ab 1820 kamen Kau- und Pfeifentabak hinzu. Der Kautabak „Schwarzer Krauser“ machte Schrimper auch überregional bekannt, wodurch die Produktion vergrößert wurde. So erweiterte sich das Fabrikgelände ab 1826 von der Achternstraße 9 auf Haus Nr. 10 bis hin zur Staulinie 11-12. Zeitweise war die Tabakfabrik der größte Arbeitgeber in Oldenburg und beschäftigt ca. 100 Personen.

Schrimper war wie alle Fabrikanten bei der Produktion von Zigarren oder Schnupftabak vom Rohstoff abhängig, der sowohl aus Nord-, Mittel- und Südamerika stammte. Dort wurde der Tabak von den Native Americans in den heutigen USA und den Indigenen Völkern in Mittel- und Südamerika bereits vor der europäischen Kolonisation geraucht. Über Spanien kam der Tabak schließlich nach Europa, Deutschland und Oldenburg.

Aufgrund der starken Beliebtheit und um sich unabhängiger von den Kolonialwarenpreisen zu machen, wurde auch in Deutschland und der Region Oldenburgs der Tabakanbau versucht. Das unbeständige Wetter und der sandige Boden machten den Anbau hier jedoch zu aufwendig und wenig gewinnbringend, der Tabakindustrie in der Region Oldenburg tat dies jedoch keinen Abbruch.

Der Kaufmann Schrimper

Ende des 18. Jahrhunderts entstanden in Oldenburg viele Vereine und Gesellschaften für den gemeinsamen Zeitvertreib und der Kontaktpflege mit den wichtigen Handelsstädten Bremen, Göttingen und Hamburg. Johann Gerhard Schrimper, der vermutlich aus Bremen stammte, verbündete sich früh mit anderen Kaufleuten um die eigenen Interessen besser vertreten zu können. So wurde Schrimper schnell Mitglied bedeutender gesellschaftlicher Clubs und Vereine der Stadt und begründete sie teilweise selber mit. 1816 gründete J.G. Schrimper gemeinsam mit fünf Kaufleuten die „Gesellschaft Union“ für den gegenseitigen Austausch und blieb über viele Jahrzehnte dessen Vorsitzender. Die Gesellschaft kaufte sich später das Restaurant „Union“ am Heiligengeistwall als Vereinshaus, am derzeitigen Standort des Coworking Spaces und der Markthalle „Core“. Bis heute besteht die „Gesellschaft Union“ als kaufmännischer Verein und sammelt am traditionellen Gilde-Abend Spenden. Schrimper war ebenfalls lange Zeit Vorsitzender des 1840 gründeten Handels- und Gewerbeverein Oldenburgs.

Firmenentwicklung

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts und der Blütezeit der Tabakindustrie in Oldenburg blieb die Tabakfabrik in Familienbesitz. Erst unter Jacobus Gerhard Schrimper wurde die Firma zu einer offenen Handelsgesellschaft mit wechselnden Gesellschaftern, der Firmenname J.G. Schrimper blieb jedoch erhalten. 1882 wurde schließlich der Bremer Kaufmann Wilhelm Julius Gustav Tölken der alleinige Besitzer. Auch dieser behielt den Namen Schrimper bei, da er überregional einen ausgezeichneten Ruf für Tabakprodukte genoss. Unter Tölken erlebte die Firma einen neuen Aufschwung. So wurden die zu der Zeit noch verbliebenen Tabakfabriken in Oldenburg, zeitweise waren es bis zu sechs und der Region, aufgekauft. Wie auch Schrimpers stärkster Konkurrent in der Stadt: Troebner an der Lange Straße 72. Unter den Mitarbeitenden waren auch viele Frauen beim Rollen und Schneiden des Tabaks beschäftigt, während die Männer beim Pressen und Stampfen zu finden waren.

In den 1950er Jahren begann dann der langsame Niedergang der Tabakindustrie in Oldenburg und Schrimper musste die Schnupftabakproduktion einstellen. In den Nachkriegsjahren führten die geringe Nachfrage und Absatz nach bestimmten Tabaksorten und die Erhöhung der Tabaksteuer zum langsamen Ende. 1965 wurde die Tabakproduktion bei Schrimper schließlich komplett eingestellt. Es folgte zwar noch die Umwandelung in eine AG sowie später in eine KG, diese wurde dann 1974 auch formell aufgelöst.

 

Das Ende einer Ära

Mehr als 175 Jahre stand die Tabakfabrik Schrimper im Zentrum Oldenburgs und prägte das Bild wie auch den Geruch der Stadt – der Tabakduft war um die Fabrik allgegenwärtig. Auf den Böden der Fabrik lagerten nämlich fast zwei Jahrhunderte Tabak aus den USA, Kuba, China, Europa oder Deutschland, alle mit ihren eigenen Aromen von süß bis würzig.

Nach der Fabrikschließung 1965 ließ sich in den Räumlichkeiten kurzzeitig der Harmonikatürenhersteller Koch & Viol KG nieder. Ehe sich 1971 die Gothaer Lebensversicherung das 2000 m2 große Grundstück der Tabakfabrik für ein Millionenprojekt sicherte. Im Zuge einer Innenstadtentwicklung mit Park and Ride-System wurde das damals größte Bauvorhaben der Oldenburger Innenstadt geplant: An der Achternstraße entstanden Büros der Versicherung und Geschäfte, die Gothaerpassage ermöglichte zudem den Durchgang zur Staulinie, sowie Wohnungen in den oberen Geschossen.  Dafür wurden 1973 alle Gebäude der ehemaligen Tabakfabrik Schrimper abgerissen.

Begleitet wurde dieser Abriss von Protesten der Bürgerinitiative „Stadtplanung“, die sich u.a. teils vergebens für den Erhalt des Baumbestandes und einer 120 Jahre alten Kastanie auf dem Fabriksgelände einsetzte. Einzig die Marmortreppe der denkmalwürdigen Bauten der Fabrik sollten nach einem Gutachten für eine später geplante Wiederverwendung gesichert werden.

Knapp 40 Jahre bestand der Gebäudekomplex der Gothaer Lebensversicherung samt Passage und musste 2011 wiederum selbst für ein neues Bauvorhaben zur Aufwertung der Innenstadt weichen. Seitdem befindet sich die Drogeriemarktkette Müller an der Achternstraße 9-10, wo einst die Tabakindustrie in Oldenburg ihren Anfang nahm.

 

Text: Rosalia Zamora