Kaiserstraße

Legendärer Kaiserkiez

 

Das Bahnhofsviertel war in den Jahren 2007 bis 2017 Sanierungsgebiet. Ziel war es, städtebauliche Missstände zu beheben. Straßen und Parkplätze wurden umgestaltet, mehr Stadtgrün angelegt, die Infrastruktur von sozialen und kulturellen Einrichtungen verbessert sowie Wohn- und Arbeitsstätten baulich und funktional aufgewertet.

 

Das Viertel war in die Jahre gekommen, seit es ab 1850 planmäßig angelegt wurde. Die Nähe zum 1867 eröffneten Hauptbahnhof war besonders reizvoll und so entwickelte sich ein strukturell durchmischtes Vorstadtquartier mit einer hohen Bebauungsdichte von circa 50 Prozent. Strukturgebend für das Gebiet zwischen Gottorpstraße und Stau sind auch heute noch die, strahlenförmig vom Bahnhofsvorplatz Richtung Hafen angelegten Straßen, Bahnhofsstraße, Kaiserstraße und Klävemannstraße.

Der Kaiserstraße sollte schon damals eine besondere Bedeutung zukommen: Nachdem die eigentliche Hauptzufahrtsstraße zum Bahnhof, die Bahnhofsstraße, nur bis zur Gottorpsstraße und nicht wie geplant bis zum Staugraben gebaut wurde, wurde die Anbindung des Bahnhofs an die Stadt bald als ungenügend empfunden. Eine Alternative wurde dann mit dem Bau der Kaiserstraße im Jahr 1879 geschaffen, die bereits 1865 als Zufahrtsstraße geplant war. Erst nach ihrer Pflasterung 1896/97 und dem Übergang in den Besitz der Stadt konnte sie als öffentlicher Gemeindeweg die Funktion der Hauptzufahrtstraße zum Bahnhof übernehmen.

 

Bis dahin hatte die Straße noch keinen offiziellen Namen und wurde im Volksmund „Neue Bahnhofsstraße“ oder auch „Viermännerstraße“, wohl nach den vier hauptsächlichen Anliegern, genannt. Auch der Name „Schlömann-Straße“ ist belegt und verweist auf den Inhaber der „Schlömann und Co. Seifen- und Oelfabrik“ (Achternstraße 13), Kaufmann Gerhard Wilhelm Carl Hermann Schlömann, dessen Wohnadresse, Gottorpstraße 3, ganz in der Nähe der heutigen Kaiserstraße lag.

Ihr erster amtlicher Name war dann für kurze Zeit „Klävemannstraße“. Dieser Name geht auf den Stadtdirektor Klävemann zurück, der für die neue Straße ein Grundstück abgetreten hatte. Schon im gleichen Jahr, 1895, bekam die neue Zufahrtstraße zum Hauptbahnhof den Namen Kaiserstraße und ehrte damit den deutschen Kaiser Wilhelm II. (1859-1941).

Zu gleicher Zeit wurde die benachbarte Kayserstraße in Schifferstraße umbenannt. Irrtümlicherweise dachte man damals, ihr Name würde sich von der Kaiserwürde ableiten und erachtete ihn für die unansehnliche Straße als unpassend. Richtig war aber, dass sie den Namen ab 1848 zu Ehren der Brüder Kayser, die hier Anwohner waren und einer von ihnen Hafenmeister war, führte.

 

Mit der um 1900 einsetzenden Bebauung entwickelte sich das östliche Bahnhofsviertel mit Gewerbebetrieben, Speichern, Büro- und Verwaltungsgebäuden sowie Wohnhäusern von Beginn an zu einem Mischgebiet. In der Kaiserstraße wurden die ersten beiden Häuser 1896 gebaut. Im Jahr 1901 gab es noch immer elf freie Bauplätze. Die übrigen Häuser waren vor allem als Wohnhäuser genutzt worden. Die Ausnahme bildete das Verwaltungsgebäude des Wasserwerks (Kaiserstraße 12) und die Geschäftsstelle der Firma „Niedermeyer und Goetze“, die für den Ausbau der städtischen Kanalisation zuständig waren.

Später siedelten sich unterschiedliche Gewerbetriebe an, so zum Beispiel die „Weinhandlung Wille“, die „Papiergroßhandlung und Buchdruckerei Ferd. Würdemann“ oder die

„Fahrrad- und Automobilgroßhandlung Wilhelm Krüger“ an der Kaiserstraße/Ecke Bahnhofsplatz. Wie das gesamte Viertel war auch die Kaiserstraße in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts von gewerblicher beziehungsweise industrieller Nutzung und durch Wohnraum geprägt. Als Hauptzufahrtstraße zum Bahnhof hatte sich inzwischen die Moslestraße entwickelt.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelte sich das Bahnhofsviertel aufgrund hoch ausnutzbarer Bebauungspläne zum Büro- und Dienstleistungsstandort mit Banken und Versicherungen. Gewerbe und Wohnen wurden zunehmend verdrängt.

Verstärkt wurde dieser Trend auch durch strukturelle Umnutzungen bei den Bahnliegenschaften in den 1980er Jahren. Flächen wurden frei und es siedelten sich Übergangsnutzungen, insbesondere von Kulturschaffenden an. Das hat dazu geführt, dass es heute einen großen kulturellen Schwerpunkt im Bahnhofsviertel gibt.

 

Die Kaiserstraße und der Bereich zwischen Kaiserstraße und Klävemannstraße entwickelten in weiten Teilen den Charakter einer typischen „Bahnhofsrückseite“ mit Spielhallen, einfacher Gastronomie und Erotikshops – sprich: zum Oldenburger Rotlichtviertel. Die besondere bauliche Situation, die 1973 durch die Überbauung des Eingangs Kaiserstraße mit einem Versicherungsbau, eine Art Portal in diesen Bereich schuf, betonte die Eigenständigkeit des Kiezes auf der Kaiserstraße.

Doch inzwischen, sicherlich durch die Sanierung der Kaiserstraße und der damit einhergehenden Aufwertung befördert, ist auf dem Kaiserkiez eine neue Phase angebrochen. Erotikbetriebe, wie das „Pornöchen“ wurden geschlossen, dafür haben sich in den letzten Jahren bemerkenswert viele soziale Einrichtungen an der Kaiserstraße angesiedelt. Die älteste ortsansässige unter ihnen, das sogenannte „Gewerkschaftshaus“, wurde dem Deutschen Gewerkschaftsbund 1946 als Entschädigung für sein 1933 enteignetes Gewerkschaftshaus in der Kurwickstraße 2 zugesprochen.

 

Dass die Aufwertung der Kaiserstraße noch nicht abgeschlossen ist, zeigt sich auch an der Ansiedlung hochwertiger Gastronomie und Einzelhandelsgeschäfte, wie das Café Käthe Kaffee, das Restaurant Kaiserküche und dem Zentegra-Shop, in dem ausgesuchte Einrichtungsgegenstände verkauft werden, die in den handwerklichen Betrieben von „zentegra“, einem gemeinnützigen Zentrum zur Rehabilitation und Integration für psychisch und psychosomatisch kranke Menschen.

 

Text: Ria Glaue

Übersicht über die sozialen Einrichtungen in der Kaiserstraße:

 

Kaiserstraße 4-6: Deutscher Gewerkschaftsbund, DGB Region Oldenburg-Ostfriesland

DGB Oldenburg-Ostfriesland

 

Kaiserstraße 7: Konfliktschlichtung e.V.

Konfliktschlichtung e.V. - Start

 

Kaiserstraße 14: Oldenburger Tafel e.V.

https://www.oldenburger-tafel.de/

 

Kaiserstraße 13-15: Kolping Jugendwohnen Oldenburg im ehemaligen Herdbuch-Haus

Home - Kolping Jugendwohnen Oldenburg (jugendwohnen-oldenburg.de)

 

Kaiserstraße 19: Kaiser 19, Begegnungsstätte des Deutschen Roten Kreuzes

DRK Begegnungszentrum - DRK-Landesverband Oldenburg e.V.

 

Kaiserstraße 19: Parteibüro DIE LINKE, früherer Standort der ALSO Arbeitslosenselbsthilfe e.V.

DIE LINKE. Oldenburg (die-linke-oldenburg.de)

Startseite - ALSO - Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg e.V. (also-zentrum.de)

 

Kaiserstraße 26: zentegra Shop der gemeinnützigen zentegra GmbH

zentegra Shop (zentegra-shop.de)

 

Den städtischen Bericht über die Sanierung des Bahnhofviertels finden Sie hier:

Abgeschlossene Stadterneuerungsgebiete > Stadt Oldenburg