Wasserturm Hafen

Für eine symbolische Mark

 

Der 33 Meter hohe Wasserturm neben der Eisenbahnbrücke ragt weithin sichtbar über die Silhouette des Stadthafens hinaus und bildet heutzutage den Schlusspunkt der Hafenpromenade. Doch beinahe wäre dieses markante Gebäude, das seit mehreren Jahrzehnten unter Denkmalschutz steht, in den 1980er Jahren abgerissen worden.

Der Wasserturm wurde 1908 im Auftrag der Oldenburgischen Staatsbahn errichtet. Er diente hauptsächlich dazu, Dampflokomotiven mit Wasser zu versorgen. Daher wurde der Turm direkt an der Hunte gebaut, außerhalb des eigentlichen Bahngeländes. Hier konnte er für den Betrieb der Dampfloks mit dem Wasser aus der Hunte befüllt werden. Dampfloks benötigen große Mengen Wasser zur Dampferzeugung. Das Wasser wird über einen Brennstoff, beispielsweise Kohle, zu Wasserdampf erhitzt. Dieser Dampf treibt dann die Lok an.

Der turmartige, kreisförmige Bau ist typisch für Wassertürme aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts. Fenster ohne belichtende Funktion, Verzierungen und Ornamente dienen dazu, die Illusion eines bewohnbaren Turmes zu erzeugen. Auf der Unterkonstruktion aus massivem Mauerwerk sitzt der Wasserbehälter, der ein Fassungsvermögen von ca. 500 Kubikmetern hat. Über zwei Pumpen wurde das Wasser in den Tank gepumpt.

Mit der Ablösung der Dampfloks durch Diesellokomotiven wurde wesentlich weniger und zudem sauberes Leitungswasser benötigt. Der Betrieb von Dampfloks verlor immer mehr an Bedeutung – auch Elektroloks drängten auf den Markt – und wurde in den 1960er bis 1970er Jahren aufgegeben. Der Wasserturm verlor seine Aufgabe. Die Bundesbahn als Eigentümerin des Turms wollte das Gebäude abreißen lassen. Allerdings stand der Wasserturm seit 1983 als Industriebau unter Denkmalschutz. Eigentlich konnte also die Bahn keinen Abriss veranlassen. Doch es kam anders…

1987 wurde mit dem Abriss des Daches begonnen – aus Sicherheitsgründen, wie es die Bahn formulierte. Das Gebäude war da bereits jahrelang verwahrlost: Die Verzierungen bröckelten, Tauben flog im Dach ein und aus und drum herum wucherte Unkraut. Das Geschehen rund um den Wasserturm wurde von einigen am Erhalt Interessierten beobachtet und sie gründeten den Verein „Interessengemeinschaft zur Erhaltung des Wasserturms Bahnhof Oldenburg e. V.“.

Koordiniert wurde der Verein von den beiden Architektinnen Andrea Geister-Herbolzheimer und Karin Baatz, die sich federführend für den Erhalt einsetzten und auch die Bevölkerung über die Situation informierten. Nach einem Gerichtsverfahren gegen die Bahn bot diese den Turm für den symbolischen Preis von einer Mark an, allerdings verbunden mit der Auflage, das insgesamt 2.000 Quadratmeter große Grundstück zu normalem Marktwert mit zu kaufen. Es fand sich ein Investor für das Grundstück, der den Wasserturm an die beiden Architektinnen für eben diese symbolische eine Mark weitergab.

Andrea Geister-Herbolzheimer und Karin Baatz investierten, um ihre Idee zu verwirklichen, den Wasserturm als Bürokomplex nutzbar zu machen. Nach ersten Erhaltungsmaßnahmen war der Turm dann 1993 als Bürofläche erschlossen. Im Schacht (Gebäudeteil ohne Wasserbehälter) wurden sechs offene Ebenen und eine freitragende Betontreppe eingezogen. Die beiden Architektinnen, die bereits seit mehreren Jahren ein gemeinsames Architekturbüro betrieben, konnten „ihren“ Turm beziehen.

Fertig entwickelt war der Turm 1993 nicht und ist es bis heute nicht. Erhaltungsmaßnahmen stehen immer wieder an und der Wassertank ist noch nicht als Nutzfläche erschlossen. Viele neu genutzte Wassertürme in Deutschland oder auch den Niederlanden zeigen, dass noch einiges möglich ist. Es bleibt also spannend, wie es mit dem alten Wasserturm weitergeht, der beinahe aus dem Stadtbild verschwunden wäre. 

Text: Franziska Boegehold-Gude