„Möge der Fortschritt auch in Zukunft Wahrzeichen der Stadt sein!“

Dr. Theodor Goerlitz (1885-1949) war ein ehrgeiziger Förderer nicht nur des Wohnungsbaus, sondern auch der lokalen Wirtschaft und Kultur und galt als treibende Kraft für die Entwicklung der Stadt Oldenburg in der Weimarer Republik. Als Oberbürgermeister von 1921 bis 1932 hatte er weitreichende Ideen und Visionen, um Oldenburg zu einer modernen Stadt zu machen. Er setzte sich für die Ansiedlung neuer Industrien ein, stärkte bestehende Betriebe, modernisierte die Infrastruktur und intensivierte den Ausbau der bereits in der Stadt ansässigen staatlichen Behörden. Sein Credo „Möge der Fortschritt auch in Zukunft Wahrzeichen der Stadt sein!“ stellte er schon bei der Gründung des ersten großen industriellen Unternehmens auf einem von der Stadt bereitgestellten Gelände unter Beweis. Der Industriebau der Bölts AG Fleischwarenfabrik im Haareneschviertel war der erste, der dem Stadtbild eine neue Prägung gab.

Mit dem von Anfang an in gigantischen Dimensionen geplanten Projekt des Bauherrn Georg Bölts verband die Stadt die Hoffnung auf einen Aufschwung. Nach dem Ersten Weltkrieg war die ehemalige Residenz und nun junge Landeshauptstadt durch den Abzug des Militärs und das Ende des herzoglichen Hofes empfindlich geschwächt. Mehr als die Hälfte der Klein- und Sozialrentner des Oldenburger Landes lebten in der Stadt und waren durch die immer dramatischere Abwertung der Mark auf Unterstützung angewiesen. Das neue Werk sollte der Stadt nicht nur einen Aufschwung für die heimische Bauwirtschaft bringen, sondern langfristig mindestens 100 Arbeitsplätze. Außerdem erwartete man hohe Steuereinnahmen.

Unter größter Geheimhaltung fanden 1922 erste Verhandlungen zwischen Goerlitz und den Gründern der Fleischwarenfabrik statt. Die Stadt versprach erhebliche Vorleistungen, galt es doch, zwei Konkurrenten - die Orte Rüstringen und Apen - auszustechen. Für 30 Millionen Mark verkaufte sie Anfang April 1923 zwei in ihrem Besitz befindliche Grundstücke beiderseits des verlängerten Philosophenweges. Zusätzlich wurden weitere angrenzende Grundstücke, die sich in Privatbesitz befanden und als Schrebergärten genutzt wurden, zum Spottpreis von 1.500 Mark pro Quadratmeter erworben und an die neu gegründete Bölts AG weiterverkauft. So entstand ein 100.000 Quadratmeter großes Areal, auf dem bald umfangreiche Baumaßnahmen begannen. Bereits am 8. September desselben Jahres konnte Richtfest gefeiert werden, ein Jahr später wurde das Werk eingeweiht.

Zu den Förderern Bölts, der die Alleinvertretung der am 10. April 1923 gegründeten Bölts AG übernahm, gehörte auch der ehemalige Großherzog Friedrich August von Oldenburg. Er hielt 25 Prozent der Aktien der AG, deren Grundkapital 300 Millionen Mark betrug. Die Verbindung des Unternehmers mit der großherzoglichen Familie wurde auch auf andere Weise deutlich: Georg Bölts zog in die Georgenvilla, die Herzog Georg, der Bruder des Großherzogs, in der Margaretenstraße hatte errichten lassen. Das Haus wurde zur Fabrikantenvilla. Das private Schwimmbad im Garten wurde übrigens aus den Wasserreservoirs der benachbarten Fleischwarenfabrik gespeist.