Tiertransport auf Schienen

An der heutigen Straße „Alte Fleiwa“ fand einst die Anlieferung von Tieren und der Versand von verarbeiteten Fleischwaren statt. Hier waren Schienen verlegt, mit denen ein Eisenbahnanschluss auf der Linie Oldenburg–Leer an das Netz der damaligen Reichsbahn hergestellt wurde. Teile der Schienen sind bei näherem Hinsehen auch heute noch zu erkennen. Bölts Fleischwarenfabrik besaß also einen Bahnhof, darüber hinaus auch eigene Güterwagen und einen Fuhrpark mit 25 Lastwagen. Damit konnte die Auslastung der Produktion in der Fabrik optimiert werden, da die Warenlogistik kaum von äußeren Einflüssen abhängig war.

In der teilweise überdachten schlauchartigen Verkehrszone, die dem Schlachthaus vorgelagert war, konnten sowohl Güterwagen auf Schienen als auch moderne Lastkraftwagen abgefertigt werden. Im vorderen Bereich dieser Zone befand sich der sogenannte Viehhof. In diesem eingezäunten Areal wurden die lebenden Schweine und Rinder versammelt, nachdem sie per Güterzug antransportiert wurden. Von hier aus wurden sie zur Schlachtung und zur weiteren Verarbeitung zu Fleischwaren in das Innere der Fabrik verbracht.

Einige Meter weiter auf der anderen Seite der Schienen fand an der überdachten Verladerampe die Verladung statt. Mit einer Hochbahn, die oberhalb der Bahngleise dieselben überquerte, konnten kleinere Wagen Waren aus dem Kühlhaus zur Rampe befördern. Ganze Tierhälften wurden hingegen mithilfe von Fleischerhaken, die an einem unter der Hochbahn verlaufenden Fließband angebracht waren, bewegt. Schließlich wurden die Fertigwaren in einzelne Kühlwaggons verladen, die jeweils 400 Zentner transportieren konnten.

Die speziellen Transportbahnen und der Eisenbahnanschluss ermöglichten, inspiriert von den fortschrittlichen Chicagoer Schlachthöfen, eine effiziente Standardisierung der Arbeitsprozesse. Auch auf Grundlage dieser Warenlogistik konnte die tägliche Verarbeitung von 1500 Schweinen und 100 Rindern zu Fleisch- und Wurstwaren in Oldenburg erst realisiert werden. Nur 20 Prozent der in der Fabrik verarbeiteten Tiere kam jedoch aus dem Oldenburger Land. Der Rest wurde auf dem Bremer Markt sowie direkt in Holland, Pommern und Ostpreußen eingekauft.

Übrigens verfügte die Entenfarm der Familie Bölts im Ammerland schon früher über einen Gleisanschluss. Dorthin ließ 1919 der abgesetzte ehemalige Großherzog Friedrich August 115 seiner wertvollsten Stücke der Großherzoglichen Gemäldesammlung mit Transportwagen des Fleischfabrikanten Georg Bölts bringen. Von dort wurden sie mit der Eisenbahn als „Möbel“ deklariert, über die Grenze nach Holland transportiert.